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Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Er wippte ein paarmal auf dem Sprungbrett, federte auf den Zehen, breitete dann die Arme aus und sprang. Unter ihm lag die blauschimmernde Wasserfläche, klar bis zum Boden des Beckens. Die Sonne spiegelte sich in ihr, goldene Reflexe tanzten über das glatte Wasser, und schon in der Luft, bei der eleganten Schraube, wußte er, daß es ein guter Sprung sein würde.
    Das ›Südbad‹ in Köln war um diese frühe Tageszeit nur schwach besucht. Im langen Hauptschwimmbecken tummelten sich zwei Schulklassen, die hellen Kinderstimmen durchbrachen den stillen Morgen, zwei Bademeister säuberten mit großen Köchern noch die Nichtschwimmerbecken, auf den Liegewiesen hatten sich vereinzelte Besucher niedergelassen, helle Punkte zwischen dem Grün des Rasens und dem Blau des Himmels. Es versprach ein heißer, sonniger Tag zu werden. In einer Stunde würde der Strom der Wasserhungrigen durch die Drehtore fluten und die weiten Grasflächen überschwemmen. Dann wollte Kehat schon wieder in der Stadt sein. Er liebte diese frühen Morgen, die Stille zwischen Wasser und Sommerwolken; er genoß in vollen Zügen das Gefühl, ungehindert vom Sprungturm durch die Luft zu fliegen und dann einzutauchen in das aufspritzende, kühle Wasser.
    Das Springerbecken war fast leer. Am Rande hingen drei junge Männer an der Überlaufrinne und starrten empor zu dem Zehnmeter-Brett. Es kommt selten vor, daß jemand aus dieser Höhe springt, meistens nur beim Training der Schwimmvereine, und so klebten sie am Beckenrand, warteten auf den Abstoß, wetteten, wie der Mann eintauchen würde, ob er Salti drehen würde, Schrauben oder Kombinationen, und zogen unwillkürlich die Schultern hoch, als sich Kehat hoch in die Luft abschnellte.
    Er hatte sich vergewissert, daß unter ihm alles frei war. Sein Körper drehte sich in der Schraube, krümmte sich, rollte in einen Salto ab, streckte sich dann und flog wie ein Pfeil kerzengerade auf das Wasser zu. Er hörte nicht mehr den plötzlichen Aufschrei, das helle »Zurück! Zurück!« – es wäre auch zu spät gewesen. Drei Meter über dem Wasser kann man keinen Sprung mehr korrigieren.
    Mit gestreckten Armen, die Oberfläche durchschneidend, tauchte Kehat ein. Im gleichen Augenblick prallte er auf etwas Hartes, es war, als sei er auf einen Stein gestürzt, der Schmerz zuckte von den Armen durch die Schulter und dann durch den ganzen Körper; noch bevor er völlig eintauchte, drehte er sich, warf sich zur Seite, versuchte, dem Zusammenprall die volle Wucht zu nehmen, der Sprung zerplatzte, er klatschte ins Wasser und wußte im gleichen Augenblick: Du bist auf einen Menschen gesprungen. Du bist aus zehn Metern Höhe mitten auf einem Menschen gelandet. Das ist, als wenn ein Auto gegen eine Mauer fährt.
    Er spürte, wie der Körper unter ihm wegsackte, fühlte um sich schlagende Arme, der stechende Schmerz in seiner Schulter lähmte ihn fast, aber er konnte noch in einem Bogen tauchen, sah unter Wasser einen Körper absinken, ergriff ihn und zog ihn mit seinem eigenen Schwung an die Oberfläche. Dort kraulten schon die drei Männer vom Beckenrand heran, halfen ihm zu den Treppen und stützten ihn, als er stöhnend aus dem Wasser stieg. Hinter ihm trugen zwei Schwimmer einen ohnmächtigen Körper aus dem Becken.
    Kehat legte sich neben den Sprungturm auf die großen Steinplatten, atmete ein paarmal tief durch, bewegte seine Schulter, der Schmerz blieb, aber zerriß ihn nicht, und er stellte sachkundig fest: nichts gebrochen, nur eine Prellung. Ein unverschämtes Glück. Er hob den Kopf und sah auf die neben ihm liegende Gestalt. Ein Bademeister verdeckte sie, er machte Wiederbelebungsversuche, indem er mit den Armen pumpte, und einer der Männer sagte laut: »So ein dummes Luder! Schwimmt in die Sprungbahn! Da war alles zu spät –«
    Kehat erhob sich, taumelte zu der kleinen Gruppe und drängte sich durch. Auf den Steinplatten lag ein junges, schwarzhaariges, zierliches Mädchen. Ein weißer Badeanzug mit aufgedruckten großen Mohnblumen gab ihrem Körper etwas unsagbar Lebensfrohes, Blühendes – ein Stück Sommer.
    Kehat kniete neben ihr nieder und hielt die noch immer pumpenden Arme des Bademeisters fest.
    »Das geschluckte Wasser ist nicht so wichtig«, sagte er. »Sie hat einen schweren Schock bekommen. Lassen Sie mich das bitte machen … ich bin Arzt.« Er versuchte ein Lächeln, aber der Schmerz in der Schulter verzerrte seinen Mund. »Das heißt, noch nicht … ich bin Medizinstudent. Aber ich mache
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