Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sensation in der Manege

Sensation in der Manege

Titel: Sensation in der Manege
Autoren: Tina Caspari
Vom Netzwerk:
Der Indianer

    „Nehmen Sie Whisky?“
    „Wie bitte? O nein, keinen Alkohol!“
    Bille schaute verwirrt auf den Mann mit dem breitflächigen, dunklen Gesicht. Die blauschwarzen, glatten Haare und die ausgeprägte Hakennase erinnerten an einen Indianer, und seine leicht nach vorn geneigte Haltung ließ an ein zum Sprung bereites Raubtier denken. Aber jetzt lachte der Mann, breit und fröhlich; ein Kranz winziger Falten legte sich um die hellgrauen Augen, und sofort verlor sich der unheimliche Eindruck.
    „Ich meine den Braunen da — dort drüben unter dem Baum! Neben dem Schecken und dem Schimmel.“
    Bille hatte die drei Pferde noch gar nicht bemerkt. Jetzt trat sie zu ihnen heran. Ein Wallach und zwei Stuten waren es, alle drei recht betagt, aber sichtbar gut gepflegt.
    „Der Boß hat mir erlaubt, sie mitzubringen. Kriegen bei mir das Gnadenbrot, verstehn Sie. Ich hätte die Stellung sonst nicht annehmen können. Will mich nicht mehr von ihnen trennen. Darf ich vorstellen? Whisky, zweiundzwanzig Jahre alt, Raubtiernummer. Maestro, fünfundzwanzig, Hohe Schule. Und Happy, dreiundzwanzig, Voltigierpferd.“
    „Sie kommen vom Zirkus?“ sagte Bille überrascht. „Davon hat mir Daddy gar nichts erzählt! Er erwähnte allerdings etwas von einer Überraschung. Entschuldigen Sie, Herr John, daß ich mich so begriffsstutzig benommen habe! Herzlich willkommen in Groß-Willmsdorf! Ich freue mich, daß Sie als Pferdepfleger zu uns kommen!“
    Bille schüttelte dem Mann herzlich die Hand. Die Lachfältchen in dem dunklen Gesicht vertieften sich.
    „Sie können ruhig ,Johnny’ und ,du’ sagen. Das bin ich so gewöhnt.“
    „Okay, Johnny, aber das gleiche gilt für mich. Schließlich sind wir ja jetzt Stallkameraden, und außerdem bin ich erst sechzehn. Ich bin Bille — Sibylle Abromeit , Schülerin und Assistentin von Herrn Tiedjen und ein bißchen auch seine Adoptivtochter. Mit dem Schulstall habe ich eigentlich nichts zu tun, mein Gebiet sind die Ställe drüben auf der anderen Seite, wo unsere Turnierpferde und die Zuchtstuten stehen. Aber ich besuche die Schule des Reiterinternats im Schloß hier.“
    „Hat mir der Boß schon alles erzählt“, sagte Johnny grinsend. „Auch daß ich bei dir einen Kollegen vom Zirkus vorfinden würde. Wo steckt er denn?“
    „Zottel? Der ist noch drüben auf der Koppel, ich werde euch nachher bekannt machen. Bringen wir erst mal deine Schützlinge in ihr neues Quartier, dann werde ich dir alles zeigen. Komm, Whisky.“
    Bille band den Braunen los, und er beschnupperte sie neugierig. Gehorsam trottete er neben ihr her, als sie ihn zum Schulstall hinüberführte.
    „Ich habe mich schon gewundert, weshalb Achmed die drei leeren Gastboxen hergerichtet hat. Die Überraschung ist Daddy wirklich gelungen!“
    „Ich hoffe, es stört euch nicht, daß ich die drei mitbringe“, sagte Johnny besorgt und hatte nun wieder den Blick eines Indianers auf dem Kriegspfad. „Ich weiß, sie nehmen euch Platz weg.“
    „Unsinn!“ Bille blieb stehen und schaute den neuen Pferdepfleger verblüfft an. „Wie kommst du auf die Idee?“
    „Na ja..., ich hab schon eine Menge Absagen bekommen ihretwegen.“
    „Willst du meine ehrliche Meinung hören? Ich freue mich darüber, daß sie da sind! Zu einer richtigen Familie gehören doch auch die Alten, die in ihrem Leben genug gearbeitet haben und sich nun auf einen friedlichen Lebensabend freuen. Nun. .. , in unserer Pferdefamilie in Groß-Willmsdorf haben die Senioren bisher gefehlt. Erst jetzt ist unsere Familie komplett: von jung bis alt ist alles vertreten, das finde ich prima.“
    „Freut mich, daß du so denkst. Der Boß übrigens auch. Scheint ein prima Kerl zu sein.“
    „Das ist er.“
    Bille öffnete das Tor zum Schulstall und führte den Braunen durch die Stallgasse. Johnny folgte mit den beiden anderen. In den Boxen herrschte Mittagsruhe, nur vereinzelt erklang ein neugieriges, dunkles Wiehern zur Begrüßung der Neuen, hier und da schob sich schnuppernd eine Nase zwischen die Gitterstäbe.
    „Die drei letzten Boxen dort hinten sind es.“
    „Schöner Stall, alle Achtung!“
    „Ja, Daddy hat nicht gespart, das Beste war ihm gerade gut genug für unseren neuen Schulstall. Arbeiten schließlich auch hart genug, unsere Schulpferde. Außerdem meint Daddy, zur Ausbildung guter Reiter gehöre auch das Wissen über ideale Stallbedingungen für ihre Pferde. Schau, Whisky gefällt es bei uns!“
    Der Braune untersuchte seine neue Box
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher