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Der Finanzer

Titel: Der Finanzer
Autoren: Arthur Achleitner
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Kap. 1
     
     
    Eine drückende Schwüle lag über dem perlmutterfarbenen See und der alten Stadt Bregenz trotz der
frühen Stunde des Junitages. Es mochte etwa neun Uhr vormittags sein, als von der Harder Seite her drei
Finanzwachaufseher zur Stadt schritten, geführt von einem Oberaufseher. Man konnte es den Leuten ansehen, daß sie
müde, übernächtig sind, ermüdet vom Nachtdienst der Überwachung zur Verhütung jeglichen
Schmuggels an der vorarlbergisch-schweizerischen Grenze. Der schlankgewachsene, schwarzhaarige Oberaufseher Anton
Lergetbohrer führt seine müde Mannschaft, die mit ihm wieder einmal vergeblich »gepaßt« hat.
Alles war ruhig geblieben die Nacht über; außerdem bestätigte sich die Wahrheit des alten Grenzersatzes,
daß am lichten Tage am Bodensee und anderswo nicht geschmuggelt wird. So kehren die vier Wachleute, die Gewehre
lässig im Riemen an der rechten Achsel tragend, müde, schier schleppenden Schrittes nach Bregenz in die
Finanzerkaserne zurück. Mancher Fußgänger kommt an ihnen vorbei und manch geringschätziger Blick trifft
die Mannschaft. Die Zöllner sind nirgends beliebt, und in den in Österreich schlechtweg »Finanzer«
genannten Grenz- und Finanzwachaufsehern glaubt jeder minderwertige Menschen erblicken zu sollen, weil ihr strenger Dienst
und dessen straffe Handhabung im Interesse des Staates den Leuten mit schlimmen Absichten eben sehr unbequem ist.
    Knapp vor Eintritt in die Stadt Bregenz mahnt der Befehlshaber Lergetbohrer zu strammerem Auftreten; es soll die
Mannschaft sich die Strapaze einer dienstlich durchwachten Nacht nicht anmerken lassen. Der Oberaufseher gibt für seine
Person das beste Beispiel; stramm marschiert er an der Spitze seiner kleinen Abteilung und zwirbelt sich noch geschwind die
pechschwarzen Schnurrbartspitzen schneidig auf. Die Finanzer schreiten tüchtig aus, nur der letzte zappelt etwas und
gähnt zuweilen. Das ist ein junger Bursch, dem die Nachtwache noch wehtut und die Schlafsucht die Augendeckel
niederdrückt.
    Lergetbohrer mahnt zur Strammheit, denn eben biegt die Abteilung in eine Gasse ein, die stark frequentiert ist und am
nächsten zur Finanzwachkaserne führt.
    In dieser Gasse befindet sich eine Weinwirtschaft mit anstoßendem Garten, und in letzterem pflegen unter kühlem
Baumschatten die Bregenzer gerne ihr Schöppli einzunehmen, Lergetbohrer konnte sich nun freilich selbst sagen, daß
um neun Uhr vormittags kaum ein Gast schon beim Schoppen weilen wird; immerhin soll der Einzug doch so sein, als ob ihn
kritische Augen mustern würden.
    Die Bewohner in dieser Gasse ignorierten die Finanzer und gingen ihren Geschäften nach; höchstens daß ein
Ladeninhaber der grün uniformierten Mannschaft einen spöttischen Blick nachsandte.
    Im Schankgarten der Weinwirtschaft des Karl Wüsteler stand ein schmuckes Mädchen, die ob ihres Hochmutes in ganz
Bregenz bekannte Zenzele, mit einer roten Nelke in der schmalen Rechten. Einfach gekleidet ist das Mädchen, absichtlich
einfach, um die herrliche Gestalt um so besser zu heben. Braune, weiche Flechten umrahmen das Madonnagesichtchen, zu dem nur
die stolzblickenden Augen nicht recht passen. So lieblich die Erscheinung des schlankgewachsenen Mädchens ist, der
scharfe Blick stört die Harmonie. Nur wenn Zenzele lachend die Perlenzähne zeigt, wird auch der Blick weicher; doch
können sich wenige Burschen rühmen, von Zenzele angelächelt worden zu sein.
    Wie die Finanzer herankommen im strammen Schritt, mustert das Mädchen die kleine Schar scharf und kalt,
offensichtlich geringschätzig.
    Lergetbohrer warf einen leuchtenden Blick auf die Prachtgestalt am Gartenzaun und erwies dem Mädchen insofern eine
militärische Ehrung, als er stramm die Rechte an den Gewehrschaft legte.
    Unmutig drehte Zenzele dem grüßenden Oberaufseher den Rücken. Vielleicht sollte diese Unhöflichkeit
die Röte der Verlegenheit verdecken. Das Mädchen fühlte es, wie die Glut in die Wangen schoß, und
schritt eilig tiefer in den Baumschatten hinein.
    Lergetbohrer biß sich auf die Lippen und schritt weiter. Die hinterdreinfolgenden Finanzer flüsterten sich
Bemerkungen über die hochmütige Zenzele zu und wohl auch ein Wort über ihren anrüchigen Vater, der im
Verdacht des Schmuggelns steht, den man aber leider bisher nicht zu fassen vermochte. Gelingt aber der Fang einmal, dann wird
wohl auch die Tochter weniger hochnäsig auf die Finanzer herabblicken und vielleicht die Grünrocke um
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