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Der Finanzer

Titel: Der Finanzer
Autoren: Arthur Achleitner
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und eilte ins Freie, munter voraus
Flock der Rattler.
    Wohin nun an diesem dienstfreien Tag? Pfänder oder Gebhardtsberg? Dazu ist die Zeit zu weit vorgeschritten und die
Hitze zu groß. Anton schlug den Weg zur Schanz ein und kehrte dort zu einem Labetrunk in der Wirtschaft ein. Angenehm
kühl ist's in der großen Stube, in welcher nur ein Gast hockt. Anton mustert den etwas angesäuselten Mann
nach dienstlicher Gewohnheit und wird nicht recht klug, wohin er den einsamen Zecher hinsichtlich der
Staatsangehörigkeit tun soll. »Ein Seehase« (Bewohner einer Bodenseeansiedelung) ist es sicher, das
kündet das Selbstgespräch im Dialekt.
    Der Weinselige blickt auf und fragt: »Wend er auch e Schöppli?«
    Nun weiß Anton, daß er einen Schweizer vor sich hat. Der Mann interessierte ihn, noch mehr aber, daß der
Zecher so einsam in der Schanz zwischen Lindau und Bregenz sitzt, untätig und vollgetrunken. Lergetbohrer sagt sich in
Gedanken selbst, daß ja der Verkehr am See ein lebhafter ist, also auch Schweizer ebensogut zum Trunk turra
(herüber), wie Bregenzer und Lindauer turri (hinüber) fahren können. Wer wird auch in jedem Menschen sogleich
einen Schwärzer (Schmuggler) wittern wollen. Anton lächelt, trinkt dem Zecher zu und fragt im Schweizerdialekt:
»Wie gaht's?«
    Mißtrauisch mustert der Gast den Frager, doch angesichts der Gelassenheit Antons und seines leutseligen Verhaltens
beruhigt sich der Mann sogleich wieder. Er beantwortet die Frage mit »gut« und leistet sich einen kräftigen
Schluck.
    Absichtslos erwidert Anton: »Ja, ja, nach der Arbeit ist gut ruhen!«
    Der Zecher lacht in sich hinein und trinkt den Schoppen völlig leer, um dann sogleich mit heiserem Baß nach
frischer Füllung zu rufen. Die eintretende Kellnerin, eine dralle Tirolerin, meint schnippisch: »Nun könnt
Ihr aber decht genug haben! Vierzehn Vierschtele, sell zerreißt einen andern!«
    Der Zecher gröhlt vergnügt: »Heut krieg' ich nünd genug. Lang noch alleweil e Schöppli,
Maidi!« Damit reichte er die Flasche dem Mädchen zur frischen Füllung. Anton bewunderte die
Leistungsfähigkeit des Mannes im Weinvertilgen ganz unverhohlen:
    »Alle Achtung, Herr! Vierzehn Schöppli, das ist eine ganz respektable Leistung! Ihr begießt wohl ein
besonderes Ereignis oder einen Glücksfall, was?«
    Trotz der Trunkenheit warf der Zecher einen scharfen, forschenden Blick auf den Sprecher, und diesen Blick fing Anton auf.
Der Verdacht, wenn auch nur ganz unbestimmt, ward wieder rege. Das Eintreten der Kellnerin überhob den Zecher einer
Antwort, um so mehr, als die Hebe nun auf Zahlung der fünfzehn Viertele Wein bestand. Das brachte den Mann in Zorn,
fluchend zog er einen Lederbeutel aus der Tasche und frug höhnisch, in welchem Gelde er zahlen solle, er habe
Fränkli so viel wie Mark und Gulden.
    »Dann zahl auf österreichisch, wie's Brauch ischt bei uns!« sagte schnippisch die Kellnerin.
    Der Mann schob zwei Guldenstücke hin und frug, wieviel er für den Rest noch Schöppli bekommen werde.
    Da lachte die Kellnerin: »Raiten können sie schlecht, die Schwizer! 's Vierschtele kostet zehn Kreuzer, einen
Gulden funzig Kreuzer seid Ihr schuldig, aftn langt es noch auf fünf Vierschtele! Ich mein' aber decht, Ihr habt genug!
Aber freilich, die Rorschacher Fischer sind durstig wie die Felchen, die sie oft nicht erwischen!«
    Anton horchte hoch auf.
    Der Zecher lachte und spottete dann über das eigene Gewerbe. Man müßte sich eben zu helfen wissen, und da
wären die Schweizer immer voran.
    »Warum denn gerade die Schweizer?« frug Anton.
    »Weil sie besser dütsch könnet!« spottete der Rorschacher.
    »Das möcht ich nicht so kecklich behaupten. Aber schlauer mögen sie schon sein, die Schweizer!«
    »Das sind sie auch!« renommierte der Trunkene. »Bei uns ist der dümmste Spekulierer alleweil noch
gescheiter als alle anderen Seehasen.«
    Anton mußte an sich halten, um sich nicht zu verraten. Das eine Wort rechfertigte den bisher so unbestimmt gewesenen
Verdacht. Der Mann spricht von »Ausspekulieren«, er gehört also einer Schmugglerbande an, daran gibt es
keinen Zweifel. Es heißt nun aber schlau sein. Als sich die Kellnerin entfernt hatte, kam Anton auf das
hochinteressante Thema wieder zurück, indem er möglichst harmlos bemerkte: »Na, ich meine, vom Ausspekulieren
verstehen die Vorarlberger auch etwas!«
    Der Wein tat beim Rorschacher nun doch schon so starke Wirkung, daß die Augen gläsern wurden und
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