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Blitz legt los

Blitz legt los

Titel: Blitz legt los
Autoren: Walter Farley
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Miz Liz und ihr Fohlen

    Alec Ramsay schlug die Augen auf und starrte in die Dunkelheit seines Zimmers. Er konnte nicht schlafen. Die Dunkelheit hatte nichts Beunruhigendes, aber die Stille war unheimlich.
    Er wartete geraume Weile und vermochte diese Stille zu hören. Es war mehr als die absolute Ruhe der tiefen Nacht. Es war eine vibrierende, lebendige Stille, und er lauschte darauf, während seine Augen die Dunkelheit zu durchdringen versuchten.
    Plötzlich sprang er aus dem Bett und ging ans Fenster, um hinauszuspähen. War etwa ein Sturm im Anzug? Schweren Orkanen pflegte diese Stille vorauszugehen.
    Vor dem Hengststall dehnten sich die einzeln eingezäunten Koppeln. In der einen erkannte er die weiße, geisterhafte Silhouette des alten Napoleon. Der Wallach stand bewegungslos, wahrscheinlich schlief er. Irgendwo in der ihm benachbarten Koppel befand sich Blitz.
    Als sich die scharfen Augen des Jungen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er den mächtigen Hengst. Er stand mit hoch erhobenem Kopf und gespitzten Ohren vor dem Hintergrund des sternenklaren Himmels und regte sich ebenfalls nicht.
    Alec ging zum Schrank, um einen Overall über seinen Pyjama zu ziehen. Er wollte hinausgehen und sich draußen umsehen. Einige der neuen Zuchtstuten kamen nicht besonders gut miteinander aus. Auch sollte die alte Miz Liz bald fohlen; man mußte sie jedenfalls beobachten. Wenn Snappy, der Pfleger der Stuten, auf dem Posten war, brauchte man sich ihretwegen allerdings nicht zu beunruhigen.
    Alec ging auf Zehenspitzen zur Tür, die Schuhe in der Hand, weil er seine Eltern nicht wecken wollte. Dann fiel ihm ein, daß er seinen Hausschlüssel brauchen würde, um wieder hereinzukommen, und er kehrte um. Der Schlüssel mußte sich noch in den Taschen seines braunen Anzuges befinden, den er vor zwei Wochen angehabt hatte. Damals hatte er Henry zum Zug begleitet, mit dem er zur Rennbahn nach Pimlico gefahren war. Er vermißte seinen alten Partner und Trainer sehr hier auf der Farm.
    Er fand den Schlüssel und noch etwas anderes — einen eingeschriebenen Brief, den er von der Post mitgebracht hatte, nachdem Henry abgefahren war. Über seine Vergeßlichkeit beunruhigt und verärgert, trat er an einen kleinen Schreibtisch und knipste die Lampe an. Der Brief war von der Brandversicherungsanstalt, eine Mahnung zur Zahlung der Jahresprämie für die Ställe auf der „Farm der Hoffnung“. Vor drei Tagen war der letzte Termin für die fristgerechte Einzahlung abgelaufen, und die Versicherung würde keinen Schadenersatz leisten, wenn ein Brand ausbrach, bevor man die Prämie überweisen konnte. Alec war sehr zornig auf sich selbst. Es war unentschuldbar, daß er die Police hatte verfallen lassen!
    Er verließ sein Schlafzimmer und ging leise hinunter in die Diele. Den Brief legte er im Vorübergehen auf dem Schreibtisch seines Vaters ab. Als er vors Haus trat, wurde er sich wieder der seltsamen Stille wie einer Warnung bewußt. Plötzlich fiel ihm bei dem Gedanken an die verfallene Feuerversicherung ein, wie oft er Snappy, den Stutenpfleger, schon gewarnt hatte, im Stutenstall zu rauchen. Allein in der letzten Woche hatte er ihn deswegen zweimal streng zurechtweisen müssen.
    Als er den nur schwach erleuchteten Stall der Zuchtstuten betrat, atmete Alec tief die Gerüche ein, die er liebte: die Mischung von Heu, Ammoniak und Hafer. Tabakrauch roch er nicht. Er folgte dem langen Gang an den leeren Boxen vorbei bis zum äußersten Ende, wo sie in der größten Box Miz Liz untergebracht hatten, damit sie die Geburt ihres Fohlens dort erwarten konnte. Es schien doch wohl noch nicht so weit zu sein, dachte Alec, sonst hätte Snappy sicher mehr Licht gemacht.
    Er glaubte jetzt zu wissen, was die Stille der Nacht für ihn so bedrohlich gemacht hatte: der Gedanke, daß Miz Liz sehr bald beginnen würde zu fohlen, was bei ihr erfahrungsgemäß schwere Qual und Mühsal bedeutete. Wo, zum Teufel, war Snappy?
    Alec öffnete die Tür zu dem kleinen Zimmer neben der Stutenbox. Es war leer. Die Hilfsmittel für die Geburt standen bereit. Es wäre Snappys Pflicht gewesen, sich hier aufzuhalten, denn die Wehen konnten bei der Stute jeden Augenblick einsetzen.
    Alec verließ das Zimmer und blieb unentschlossen auf dem Gang stehen. Plötzlich hörte er von weitem leise Radiomusik. Er sah zur Decke hoch; von oben kamen die Töne. Also hielt sich Snappy in Henrys Wohnung auf, wo er überhaupt nichts zu suchen hatte. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend,
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