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Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Titel: Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Autoren: Hanno Charisius Richard Friebe Sascha Karberg
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an, sie seien bereit, nicht nur publizierte Ergebnisse frei zugänglich zu machen, sondern auch jegliche Daten und jeglichen Code, der der Publikation zugrunde lag oder in ihrer Folge noch entstanden ist. 80
    Wenn eine solche Öffnung bewusst und respektvoll geschieht, gezielt und mit echtem Einsatz jenseits der einmal im Jahr stattfindenden „Langen Nacht der Wissenschaften“, kann vielleicht auch mehr herausspringen als nur ein durch PR-Arbeit und ein wenig Volksbildung beruhigtes Gewissen gegenüber den Steuerzahlern, die nach wie vor den Hauptanteil der Forschungsfinanzierung tragen. Eine motivierte DIY-Biologin kann einer Uni-Arbeitsgruppe vielleicht auch nützlicher sein als ein Lehramts-Kandidat, der nur irgendwie seine Laborpflicht abarbeitet. Warum muss jemand, der forscht, einen Uni-Abschluss oder zumindest eine Studienbescheinigung haben? Forscher wird man nicht durch ein Dokument. Forscher ist, wer Fragen stellt und dann mit wissenschaftlicher Methodik nach Wegen sucht, sie zu beantworten. Auch hier sollte der Gesetzgeber aktiv werden, denn bislang bewegen sich solche „Externe“ in Uni-Labors in einer rechtlichen Grauzone.
    Die Geschichte der Wissenschaft zeigt, dass akademische Titel und Diplome lange Zeit zwar hilfreich, aber nicht notwendig waren, um Forschung von klein bis bedeutend zu machen. Hinzu kommt, dass die Geschichte der technischen Innovationen in der Wissenschaft belegt, dass Amateure, Normalbürger, Nutzer einen riesigen Anteil an Neuentwicklungen wissenschaftlicher Instrumente hatten. 81 Vielen Fachrichtungen, unter ihnen auch fast alle Bereiche der Biologie, bietet das Web in Kombination mit billiger und einfacher gewordenen Methoden die Möglichkeit, die Profi-Halbprofi-Amateur-Netzwerk-Tradition so bedeutender Forscher wie Carl Linnaeus oder Charles Darwin wieder aufzugreifen. Sie könnten ihr Potenzial, schlicht weil die Kommunikation, Datenspeicherung und -zusammenführung nie da gewesene Möglichkeiten bieten, sogar erstmals wirklich effektiv nutzen. Die „Big Science“ der teuren Labors, professionellen Wissenschaftler, sich multiplizierenden Publikationen 82 und institutionellen Abläufe, in der kein Platz mehr für Leute ist, die Wissenschaft einfach nur lieben (Amateur, frz: „Liebhaber“), ohne von ihr zu leben, ist insgesamt ein eher junges Phänomen des 20. Jahrhunderts. Laien (griechisch: laikós: „zum Volke gehörig“), die Zeit, Bildung und Möglichkeiten genug haben, sich an Wissenschaft zu beteiligen, gibt es heute zahlenmäßig, aber auch relativ zur Gesamtbevölkerung, wahrscheinlich mehr als je zuvor. Sie sind,wenn man als Professor oder Laborleiterin ein wenig Mühe und immer mal wieder ein paar lobende Worte oder Erwähnungen auf einer Veröffentlichung zu investieren bereit ist, eine vielversprechende Ressource und kein gesetzloser Bio-Mob.
    Und ruft man sich das alte, aber noch immer oft zutreffende Klischee des Gegensatzes zwischen Elfenbeinturm auf der einen und der realen Welt auf der anderen Seite in Erinnerung, kommt noch ein wichtiger Aspekt hinzu: Von Bürgern getriebene oder zumindest mit getriebene Wissenschaft kann helfen, Wissenschaft etwas zu erden, weil sie sich logischerweise eher an den konkreten, auch alltäglichen Fragen und Bedürfnissen der Bürger orientieren wird. Das gilt etwa für die Umwelt- oder Energieforschung, vor allem aber für die Medizin. Es gilt in Industriegesellschaften, aber auch in sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern, vor allem, wenn praktische Hightech allmählich zugänglicher, erschwinglicher, machbarer wird.
    Der irische Naturforscher Robert Boyle nannte das informelle Kollektiv im 17. Jahrhundert eng zusammenarbeitender und sich austauschender Profi- und Gentleman-Wissenschaftler, das später zur Royal Society wurde, ein „Invisible College“. Eine Wiedergeburt einer in solchen „unsichtbaren Akademien“ organisierten „Little Science“ der vernetzten Kleinforscher parallel zur „Big Science“ – und auch damit verwoben – ist möglich, über akademische, kulturelle, ökonomische, politische Grenzen hinweg. Die neuen Invisible Colleges können DIY-Biologen sein, die ohne hierarchische Strukturen interagieren, aber auch Amateurforscher, die aus Interesse, Lust oder Engagement für eine bestimmte Sache einem akademischen Forscher oder einer Forscherin zuarbeiten.
    Was aus Sicht eines einzelnen, auf diese Weise die Mini-Schwarmintelligenz seines unsichtbaren Kollegiums nutzenden
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