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Corkle 1

Corkle 1

Titel: Corkle 1
Autoren: Thomas
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Vorwort
    OH, DU MEIN AFN-LAND!
    von Dominik Graf
    Nehmen wir mal die Zugspitze als unseren deutschen Berg Sinai: Tief unten sehen wir die teutonische Masse seit 1990 wie die nackten Komparsen in Cecil B. DeMilles Zehn Geboten immer noch um das Goldene Kalb der Wiedervereinigung tanzen. Hartz IV aus Ost und West vermischen sich in der latenten Verblödungsorgie mit Berliner Dämlack-Kultur-High-Society, Medien-Machthabern, eitlen Politikern, diabolischen Finanzmanagern, bösen Futtermittelherstellern und was weiß ich noch alles … Die Republik feiert da unten seit zwanzig Jahren wie unter Drogen. Aber Sie stehen allein hier oben, windumtost, wissend und verzweifelt und einsam wie Moses, und in diesem Moment teilen sich die Wolken, und eine gut manikürte Männerhand überreicht Ihnen (»Nimm dies, mein Sohn!« oder so) dieses herrliche Buch von Ross Thomas: Kälter als der Kalte Krieg. Seien Sie glücklich und nehmen Sie das Geschenk an. Mehr, als was da drinsteht, brauchen Sie über die historischpsychischen Grundlagen Ihrer und meiner und unser aller Existenz in Deutschland nicht zu wissen. Das Buch ist 1968 geschrieben, und es verknotet unsere Zeit (wie gesagt, die Zeit der alldeutschen Vollidioten) mit der Nachkriegsvergangenheit, mit der Nazizeit und so weiter, tief, tief zurück ins Innere des erkalteten deutschen Vulkans.
    Dies war mein erster Ross-Thomas-Roman. Ich habe vor sieben Tagen damit angefangen und habe seither noch zwei weitere Bücher von ihm gelesen. So schnell kann’s gehen. Liebe auf den anderthalbten Blick (so ungefähr ab Seite 20), aber dann um so heftiger. Sie werden hier eine der unglaublichsten Geheimdienstaktionen zwischen beiden Deutschlands im Kalten Krieg erleben, ausgeführt von mehreren Amerikanern, einem recht bemerkenswerten Deutschen und ein paar anderen imposanten männlichen Nebenrollen. Eine kleine eklige Menschenhandel-Story, eingefädelt wie üblich von Großkotzen in den oberen Etagen der Politkonzerne, ausgebadet von zwei Freunden, wie es selten zwei Freunde im Agenten-Genre gab. Zwei wie Pech und Schwefel: McCorkle und Padillo. Und wetten, daß Sie am Ende eine kleine Träne in den Augenwinkeln spüren werden?
    Zu den Fakten: Ross Thomas begann erst mit vierzig Jahren, Thriller zu schreiben. Dies war sein erster Auftritt und gleich ein Knaller. Er kannte Deutschland aus seiner Zeit beim AFN in Bonn. Die Amerikaner mußten uns ja weniger vor den Russen schützen als vor uns selbst. Und es war nun mal so, daß diejenigen unter unseren Besatzern, die schrieben, musizierten, filmten, tranken, organisierten, intrigierten, feierten – daß die auch nach zwei Flaschen Bourbon einen immer noch klareren Blick auf uns und unsere Geschichte hatten als wir selbst: Deutschland ein geteiltes Aufmarschland fremder Mächte – etwas Besseres als dieses Provisorium konnte uns erst mal gar nicht passieren. Eine herrlich provinzielle Hauptstadt – »Frauen in Fülle« – und dann eine zerrissene Ex-Reichshauptstadt. Saufen, rauchen, nochmal saufen, Menschen retten – aber mit was für einer Grandezza! Die Welt ist hier so, wie sie immer war: so kalt wie der Arsch einer namenlosen Leiche im Kühlhaus des Universums. Aber wenn ein Autor diese urdeutsche Welt einem so präsentiert wie Ross Thomas, dann kommt die harte Wahrheit eher daher wie eine wärmende Kerze, hell und leidenschaftlich flackernd – Erkenntnis und Tröstung in einem.
    Was haben uns die Amerikaner alles geschenkt: Man sehe den übermütigen Tatort Tote Taube in der Beethovenstraße von Sam Fuller, man sehe Sam Peckinpahs Version von Will Heinrichs gnadenlosem Kriegsroman Steiner, das eiserne Kreuz oder George Roy Hills Spionage-BRD in Die Libelle. Und aus dem AFN tropfte täglich die transatlantische Weisheit literweise in Wort und Musik. Ross Thomas’ Roman heute zu lesen tut so gut wie eine warme Dusche. Die Deutschen hier sind entweder dumm oder böse (oder beides), und sie haben den Krieg angefangen, niemand sonst – und die Amerikaner kriegen von ihnen Dinge zu hören wie: »Ihr wandert durch die Welt und versucht, gute Kerle zu sein und werdet wegen eurer Pfuschereien verabscheut, wegen eures Reichtums gehaßt und wegen eurer Angeberei lächerlich gemacht.« Die Deutschen waren jedenfalls keine guten Kerle – auch wenn unsere Geschichtsaufarbeitungsindustrie uns seit zwanzig Jahren wieder als Individuen alle moralisch entschulden möchte … Oh, was für ein unvergeßliches Personal Thomas auffährt: McCorkle
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