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Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Titel: Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Autoren: Hanno Charisius Richard Friebe Sascha Karberg
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DIY-Bio-Experimente, wenn sie den Anspruch seriöser Wissenschaft erheben wollen und wenn sie auf welche Weise auch immer veröffentlicht werden – wenn sie also ernst genommen werden wollen –, dasselbe gelten wie für Forschung in professionellen Labors. Kontrollexperimente müssen die Beobachtungen bestätigen und andere Forscher müssen in der Lage sein, die Resultate zu reproduzieren. Solange aber ein Amateur – eingehaltene Sicherheitsstandards vorausgesetzt – in seinem Labor oder im Gemeinschaftslabor erst einmal nur herumspielt, sind solche Standards so fehl am Platze wie eine DIN-Norm für Sandkastenburgen.
    Tatsache ist zudem, dass, wer per Biotech Schaden anrichten will, bislang eher schlecht beraten ist, wenn er oder sie sich auf die unsicheren Methoden von Gentechnik oder synthetischer Biologie verlässt. Denn die Natur ist auch ohne solche komplizierten und eher unzuverlässigen Manipulationen voller biologischer Gefahren von Anthrax bis Ehec, die sich gut für Verbrechen eignen (siehe dazu Kapitel 9).
    Allerdings stehen wir wahrscheinlich an der Schwelle zu einer Ära, in der mehr möglich sein wird – im Guten wie im Schlechten. Den Diskussionen im Jahre 2012 darüber, ob die Informationen über ein in einem Labor in den Niederlanden molekularbiologisch gebasteltes hochinfektiöses Vogelgrippe-Virus öffentlich gemacht werden sollten oder nicht, lag vor allem die Furcht zugrunde, sie könnten eventuellen Bioterroristen die Arbeit erleichtern. Ein solches Szenario kann real sein, allerdings kann es sich bislang nur in perfekt ausgestatteten staatlichen Labors oder denen mächtiger Terrororganisationen abspielen. Dass die Biohacker-Bewegung oder Teile von ihr entsprechende Absichten haben könnten, dafür gibt es bislang nicht nur – trotz recht aufwändiger Suche etwa seitens des FBI – keinerlei Hinweise. Biohackern würden auch die Mittel und Fähigkeiten dafür fehlen. Ihr Zeitvertreib besteht bislang meist nur darin, mit einfachsten technischen Mitteln und wechselndem Erfolg simple Gentech-Versuche der 80er und 90er Jahre nachzukochen. Die DIY-Bio-Pionierin Kay Aull beschreibt die Bemühungen der „Bewegung“ bislang mit den Versuchen eines Kindes, „eine Steinschleuder zu bauen“. 79 Nicht einmal die Abteilungen der UN, die sich um die Sicherung des Internationalen Biowaffenabkommens kümmern, stufen Biohacker derzeit als ernstzunehmende Gefahr ein.
    Natürlich kann sich das ändern, und niemand kann ausschließen, dass es in Zukunft auch böswillige Biobastler geben wird, die das biotechnische Äquivalent einer Kalaschnikow konstruieren wollen. Und man könnte sich angesichts möglichen Missbrauchs wünschen, die Biotechnik wäre nie so weit gekommen. Das ergäbe ungefähr so viel Sinn wie ein Lamento darüber, dass Kopernikus uns aus dem Zentrum des Universums gerissen hat und Darwin aus dem Zentrum der Schöpfung. Man könnte einfach Nicht-Profis und außerhalb von Profilabors alles, was Biotech heißt, verbieten. Das wäre ungefähr so sinnvoll und trüge in etwa vergleichbare Folgen nach sich wie einst die Alkohol-Prohibition in den USA: Die Werkzeuge, Zutaten und Methoden waren bekannt, die Nachfrage nach dem Produkt und das Interesse an seiner Wirkung waren vorhanden. Kein Gesetz setzte der Destillation ein Ende, sie wurde nur ins kriminelle Milieu verbannt. Sie war damit fast gar nicht mehr zu kontrollieren. Und es würde jene eingangs schon ausgemalte biotechnologische Kluft zwischen wissenden und Entscheidungen treffenden Bio-Eliten und einem mit Verboten belegten Rest der Gesellschaft erzeugen – ein System mit autoritär-totalitären Zügen.
    Man könnte auch die totale Biotech-Freiheit ausrufen und den möglichen Gefahren mit einem Achselzucken begegnen.
    Sinnvoll allerdings wäre etwas anderes. Es ist komplizierter als schlichte generelle Verbote. Es verlangt mehr Flexibilität und mehr Bereitschaft, mit der Zeit auf Entwicklungen zu reagieren, als Ein-für-alle-Mal-Regelungen. Und es setzt Vertrauen in Menschen voraus. Es beruht auf der Grundannahme, dass die allerwenigsten von denen, die sich für DIY-Bio, Biohacking oder synthetische Biologie interessieren, potenzielle Bioterroristen oder schlampige Bio-Idioten sind. Und es setzt darauf, dass die Mehrheit gegen die möglichen Machenschaften jener wenigen mit genau denselben Werkzeugen wirksam wird reagieren können – ähnlich wie die Anti-Spam-Programmierer auf die Spam-Programmierer. Der deutschstämmige Virologe
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