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Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Titel: Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Autoren: Hanno Charisius Richard Friebe Sascha Karberg
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EckardWimmer von der New York State University in Stony Brook, Long Island, würde zwar nicht darauf setzen, dass die wirkungsvollste Abwehr aus Amateurlabors kommen würde, aber generell sieht er die Möglichkeit, „durch biomedizinische Forschung neue Impfstoffe und Medikamente zu entwickeln und damit immer etwas schneller zu sein als eventuelle Terroristen“. Als Voraussetzung dafür sieht er keine rigiden Verbote, sondern Transparenz und Offenheit über die Dinge, die möglich sind.
    Selbst gegen möglichen biologischen Terror würde also, anders als etwa bei Atombomben, eine Option bleiben: eine genauso biologische Gegenstrategie zu entwickeln, in Form einer Impfung zum Beispiel, aber vielleicht auch durch gentechnisch hergestellte Medikamente. Ein neutralisierender Gegen-Hack, zu dem Amateure irgendwann vielleicht doch alles Mögliche beitragen können, von Ideen über dezentrale Analyse von Proben bis hin zu ihren eigenen, vielleicht eine Resistenz oder ähnliches enthaltenden Genen.
    Ein aufgeklärtes Bio-Bürgertum sollte zumindest eines der Ziele der Biopolitik der kommenden Jahre und Jahrzehnte sein – als Gegenstück und kompetente Kontrollinstanz zu den Bioeliten im akademischen, privatwirtschaftlichen und Verwaltungs-Sektor. Wie man mit den Ersten umgeht, die heute bereits eine solche „Biological Citizenship“ für sich einfordern, wird wegweisend sein. Vorbeugende Verbote, ein alle Freizeit-Biotech-Freaks einschließender Generalverdacht, ein von Angst bestimmtes Klima, in dem Forscherneugier außerhalb des Forscherestablishments per se als suspekt oder gar gefährlich gilt, all das wäre sicher der falsche Weg. Die durchaus auch individuell gemeinte Forschungsfreiheit im Grundgesetz sollte auch in der Praxis für alle gelten – genauso wie andere Rechte wie etwa das auf körperliche Unversehrtheit, auf deren Grundlage auch die Bürgerforschung so sicher und für die Öffentlichkeit gefahrlos wie nur möglich gemacht werden sollte. Das muss an manchen Stellen durch restriktive Gesetze und deren Durchsetzung geschehen, an vielen wird es aber reichen, Dinge zu ermöglichen anstatt sie zu verbieten. Entscheidend ist, dass die Entwicklung der Biologie und der Biotechniken dynamisch ist, und genauso dynamisch muss eine von einer informierten Öffentlichkeit kontrollierte Politik auf sie reagieren können. Es gibt gute Gründe, dass in Deutschland Gentechnik derzeit außerhalb von Labors, die bestimmte Sicherheitsstandards erfüllen und von erfahrenen Fachleuten geleitet werden, verboten ist. Die Techniken und der mögliche Zugang zu ihnen werden sich aber ändern, entsprechend müssen Gesetzgeber und Behörden reagieren. Zum Schutz der Bevölkerung, aber auch im Sinne ihrer Freiheit in Selbstbestimmung und der Entfaltung der Möglichkeiten und Interessen jeder und jedes Einzelnen.
    Wenn in Deutschland etwa offene Labors entstehen und auch unterstützt werden, in denen Laien mit Profis zusammenarbeiten und sich austauschen können, dann wird es wahrscheinlich nicht nur weniger versteckte, unregulierbare Küchen-, Kleiderschrank- oder Garagenlabors geben. Diese Labors, die sicher besser ausgestattet wären, als es sich die meisten daheim in der Garage leisten können, wären auch Kristallisationspunkte für Leute, die ansonsten einsam und abgeschottet basteln würden. Solche Gemeinschaftslabors würden zusätzlich zumindest teilweise sicherstellen, dass die Laien so arbeiten, dass sie weder sich noch andere noch die Umwelt gefährden. Damit würde wahrscheinlich eine stetig steigende Kompetenz der Laien einhergehen, eine in die Breite gehende spezifische Bildung und Fähigkeit zur Meinungsbildung angesichts anstehender wissenschafts- und biopolitischer Entscheidungen. Außerdem könnten dann die kreativen Impulse und Improvisationskünste der DIY-Bewegung positiv begleitet werden – wahrscheinlich mit gesellschaftlichem Mehrwert.
    Damit das geschieht, müssen Profi-Forscher ihre nicht universal, aber doch weit verbreitete Nur-Gucken-Aber-Nicht-Anfassen-Attitüde bezüglich ihrer eigenen Forschung ändern. Sie müssen sich, ihre Datenbanken und ihre Zeitkonten nicht nur für Neugierige, sondern auch aktiv Interessierte öffnen. Die Bereitschaft dazu scheint, wenn man den Ergebnissen einer Studie der Statistikerin Victoria Stodden von der Columbia University in New York glaubt, sogar ziemlich groß zu sein. Dort gab zum Beispiel eine überwältigende Mehrheit der durch Stodden befragten Wissenschaftler
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