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Heinz Strunk in Afrika

Heinz Strunk in Afrika

Titel: Heinz Strunk in Afrika
Autoren: Heinz Strunk
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Kein-Erlebnis-Reisen
    Dem ersten Satz eines Buches wird für gewöhnlich eine viel zu hohe Bedeutung beigemessen. Der erste Satz, der erste Satz muss stimmen! Genial soll er sein, überraschend, exaltiert oder gerade zurückgenommen, Grundlage und Material für enthusiasmierte Rezensionen. Monatelang schrauben und schwitzen und feilen die Autoren am verdammten ersten Satz, der einfach nicht gelingen will.
(Manfred wuchs in den Eingeweiden seines Vaters auf
.
)
Da ich keine Lust habe, mich diesem Unfug anzuschließen, lasse ich ihn weg und beginne mit dem zweiten:
     
    C.s Anruf erreicht mich in den frühen Nachmittagsstunden des 14. November 2007. Er wisse selbst, dass es etwas kurzfristig sei, aber ob ich mir vorstellen könne, mit ihm über Weihnachten zu verreisen. Meine Frage, wohin es denn gehen soll, beantwortet er knapp:
    «Kenia.»
    Kenia? Wie kommt er denn darauf? Ich weiß noch nicht einmal genau, wo Kenia liegt. Als einziges, wohl nicht so bedeutendes Wissenspartikel fällt mir ein, dass Ernst August von Hannover dort einen österreichischen Hotelier krankenhausreif geprügelt haben soll. Ansonsten weißer Fleck. Keine Ahnung, ob dort demokratische Verhältnisse herrschen, ein irrer Diktator rumfuhrwerkt oder das Land gar von Bürgerkriegen zerrissen wird. Obwohl, dann würde C. es wohl kaum als Reiseziel vorschlagen.
    Das wäre bereits der dritte gemeinsame Urlaub, zweimal schon haben wir die Dominikanische Republik bereist, beide Male im gleichen Hotel. Da weiß man dann wenigstens, wo alles ist.
    «Wieso kommst du denn ausgerechnet auf Kenia?»
    «Wieso sagst du
ausgerechnet
Kenia? Das ist ein schönes Land, und du warst doch sowieso noch nie in Afrika, soweit ich weiß. In Kenia herrschen stabile politische Verhältnisse, mehr oder weniger Wettergarantie. Und die Flugzeit beträgt nur siebeneinhalb Stunden.»
    Ich finde Weihnachten in der Heimat eigentlich ganz schön. Die ideale Zeit für eine Fernreise ist für mich ein, zwei Monate später, wenn sich der Winter in Deutschland langsam zu ziehen beginnt.
    «Januar oder Februar geht gar nicht?»
    «Nein, ausgeschlossen.»
    Na dann. Warum nicht Weihnachten in Afrika, mal eine neue Erfahrung. Ganz so leicht will ich es C. aber auch nicht machen.
    «Prinzipiell geht das in Ordnung, aber so aus dem Stegreif kann ich nicht zusagen. Ich muss prüfen, ob da noch Termine liegen.»
    «Prüfen, aha, denkbar langweilige Antwort. Dann prüfe. Ich melde mich in 48 Stunden wieder; bis dahin musst du dich entschieden haben.»
    Auf meine Frage, wie es ihm sonst so gehe, verweist er auf Termine; er habe jetzt keine Zeit für Plaudereien. «Also dann, bis in 48 Stunden.»
    48 Stunden. Affige Formulierung, denke ich, behalte das aber für mich.
    Ob der feine Herr mir denn wenigstens die genaue
Länge
der Reise verraten könne, will ich abschließend wissen.
    C., knapp, bellend: «Vierzehnter bis achtundzwanzigster Zwölfter.»
    «Das ist ja schon in vier Wochen! Naja, also, dann rufst du mich wieder an.»
    C. legt grußlos auf.
     
    Der Umgangston zwischen uns beiden wirkt für Außenstehende möglicherweise etwas befremdlich. Ruppig, gespreizt, gestelzt, sonderbar, schrullig. Aber das hat sich in den zehn Jahren, in denen wir uns mittlerweile kennen, eben so ergeben. Wir haben Erfahrung im gemeinsamen Urlauben. Die Dick & Doof der Pauschalreise, ein total verrücktes Ferienpaar, zwei Halunken im Bumsbomber oder was einem sonst noch so an witzigen Formulierungen einfällt. Dabei herrscht ernstes und stillschweigendes Einverständnis über unsere gemeinsame Idee vom Urlaub: Es gilt nicht, besonders viel zu erleben, sondern gerade möglichst wenig, das allerdings in der immer gleichen zeitlichen Abfolge: 8 Uhr 15 Aufstehen, 8 Uhr 30 Frühstück, von neun bis elf Lesen/gute Gespräche/Dösen, 11 bis 11 Uhr 15 Abkühlung im Pool, Freizeit bis 13 Uhr 30, anschließend Mittagstisch. Danach Umzug vom Pool ans Meer, 14 Uhr 30 bis 16 Uhr Lesen/gute Gespräche/Dösen, Abkühlung, Kaffeepause, Ruhe auf dem Zimmer, 19 Uhr Aperitif an der Poolbar, anschließend Abendbrot. Danach ist Feierabend, heißt: Teilnahme am Entertainmentprogramm (wahlweise Casino oder Disco). Handschweißtreibender Höhepunkt jeder Reise ist ein Tagesausflug in die nächstgelegene Stadt.
     
    Weihnachten in Afrika. Wie es sich wohl anfühlt? Heiligabend in Badehose, Blick auf den Ozean (welchen eigentlich?). Wenn Anfang November überhaupt noch was frei ist. Weihnachten bedeutet Hochsaison, da ist
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