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Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Titel: Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Autoren: Hanno Charisius Richard Friebe Sascha Karberg
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sein, Datenanalyse-Tools – aber natürlich auch genetischer oder sonstiger biologischer Code.
    Das Internet (und später das Web) ist in den gut vierzig Jahren seit seinen Anfängen von einer teuren, schwer zu bedienenden Maschine für ein paar wenige zu einem einfachen, selbstverständlichen, billigen Werkzeug für Milliarden geworden. Unter ihnen sind immer mehr Bürgerwissenschaftler – von der Hobby-Astronomin bis hin zum Do-it-yourself-Biologen –, die es nutzen, um sich zu informieren, sich Anregungen und Rat zu holen, untereinander und mit Profis Daten auszutauschen. Und bezeichnenderweise ungefähr gleich alt sind die Methoden von Genanalyse und Gentechnik. Auch sie sind inzwischen deutlich einfacher, billiger, variantenreicher geworden, als sie es in der Anfangszeit waren. Ob sie irgendwann von 100 Millionen oder gar von Milliarden aktiv genutzt werden könnten, wie heute etwa Facebook, kann derzeit niemand wissen. Sicher ist aber, dass man mit ihnen potenziell Dinge machen kann, die aufregender sind als Katzenvideos und Babyfotos hochzuladen oder Katzenvideos und Babyfotos zu „liken“.
    Gegen Bürgerastronomie, Laien-Ökologie und Vorstadt-Klimaforschung und dagegen, dass alle Beteiligten hier das Netz und dessen Möglichkeiten nutzen, hat wohl kaum jemand etwas. Doch Biohacking, DIY-Bio, gar von Amateuren betriebene synthetische Biologie beobachten nicht nur das Leben selbst , sondern wollen sich an seinem Inneren zu schaffen machen, es analysieren, auseinandernehmen und wieder zusammensetzen, es manipulieren. Code für ein Computerprogramm – und sei es ein festplattenfressendes Virus – zu schreiben und in die Welt zu setzen, ist eine Sache. Mit dem Code des Lebens genauso umzugehen, ist eine andere. Dass möglicherweise von Menschen erzeugte biologische Gefahren auch in der Wahrnehmung etwas qualitativ anderes sind als Computerviren oder gar konventionelle oder chemische Waffen, zeigt etwa der Auftritt des damaligen US-Außenministers Colin Powell vor dem Weltsicherheitsrat im Februar 2003. Im Zentrum seiner Begründung für einen Krieg gegen den Irak standen mit wenig bis gar keiner Evidenz untermauerte Spekulationen über Biowaffen und mobile Biowaffenlabors in Saddams Händen. Die Bush-Cheney-Administration wählte bewusst und gezielt ein Biohazard-Szenario, das – anders als etwa Chemiewaffen, die bereits ganz real mehr als 100 000 Kurden das Leben gekostet hatten – auch außerhalb des Iraks zur Bedrohung hätte werden können. Allein damit konnte man sich die Unterstützung der US-Öffentlichkeit und eventuell auch des Sicherheitsrates erhoffen.
    Die Biotechnologie ist in der Welt. Sie ist nicht kinderleicht und wird es auch in naher Zukunft nicht werden. Aber sie wird durchaus zunehmend einfacher, zugänglicher. Sie eignet sich schlicht zum Herumspielen, dazu, Joghurt zum Leuchten zu bringen und dergleichen. Sie eignet sich aber mehr und mehr auch dafür, seriöse, alltägliche, individuelle Fragen und Probleme zu bearbeiten – von den möglichen eigenen Krankheitsgenen über die Suche nach einem unsachgemäß sein Geschäft verrichtenden Hund vielleicht bis hin zur Biotech-Giftküche. Wie schnell die Entwicklung voranschreitet, ob der selbstgemachte, auf die eigene Darmflora abgestimmte Synbio-Kefir oder die selbstgebaute SARS-Variante in fünf, zehn oder zwanzig Jahren realistisch sind, weiß zwar niemand. Aber sie ist nicht aufzuhalten und nicht zurückzudrehen.
    Wie real sind die Chancen und Gefahren? Tatsache ist bisher, dass Biohacker und Do-it-yourself-Biologen zwar eine Menge Spaß haben und eine Menge lernen, dass ihnen bislang aber noch kein großer wissenschaftlicher oder auch nur Anwendungs-Wurf gelungen ist. Das muss nicht so bleiben. Doch unsere eigenen Versuche haben uns teilweise recht nervtötend vor Augen geführt, wie schwierig es bislang meist schon ist, mit den verfügbaren Techniken nur Dinge zu wiederholen, die andere vorher schon Tausende Male gemacht haben.
    Tatsache ist auch, dass Do-it-yourself-Biologie mindestens genauso fehleranfällig ist wie etwa die Methoden jener studierten und promovierten Polizei-Biologen, deren Erbmaterial-Fund im Jahr 2007 nach dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter eine jahrelange Fahndung auslöste. Später stellte sich heraus, dass es sich bei der angeblich sichergestellten DNA um eine Verunreinigung handelte. Der Fall ist als das „Heilbronner Phantom“ in die Kriminalgeschichte eingegangen. Deshalb muss für
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