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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht
Autoren: Fred Vargas
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Niemals.«
    »Aber natürlich. Es hätte nur länger gedauert, das ist alles.«
    »Wie?«
    »Mit etwas Hartnäckigkeit hätten die Akten Sernot, Deguy und Hellouin schließlich ihren gemeinsamen Nenner zum Vorschein gebracht: Ariane Germant. Von da aus kommt man zum Fall Padwell. Padwell ist tot, aber er hatte einen Sohn, der bei dem Gemetzel dabei war. Ich hätte die Spur dieses Sohnes verfolgt und hätte sein Foto bekommen. Und ich hätte Laurence erkannt.«
    »Und wenn du nicht hartnäckig gewesen wärst?«
    »Ich wäre hartnäckig gewesen.«
    »Und wenn du die Spur dieses Sohnes nicht verfolgt hättest?«
    »Ich hätte sie verfolgt, Sol.«
    »Und wenn nicht?« beharrte Sol.
    »Wenn nicht, dann hätte es noch länger gedauert. Wer kennt sich mit Wölfen aus? Laurence. Wer hat als erster von einem Werwolf geredet? Laurence. Wer hat Massart gesucht? Laurence. Wer hat ihn als vermißt gemeldet? Wer hat die Vermutung geäußert, Massart habe Suzanne umgebracht? Laurence. Man hätte ihn schließlich gefunden, Sol.«
    »Vielleicht auch nicht«, wandte Soliman ein.
    »Vielleicht auch nicht. Aber da gab es noch die Wolfshaare. Kaum haben wir uns danach gefragt, finden wir plötzlich welche. Wer wußte darüber Bescheid? Die Bullen und wir fünf.«
    »Ich gehe zum Wacher«, sagte Soliman. »Er muß es erfahren.«
    »Nein«, sagte Adamsberg und hielt ihn am Arm fest. »Du weckst bloß Camille.«
    »Na und?«
    »Ich weiß noch nicht, wie man's ihr am besten beibringt. Überleg doch.«
    Soliman blieb stehen.
    »Scheiße«, sagte er.
    »Ja«, erwiderte Adamsberg.

34
    Adamsberg saß auf dem Bettrand und wartete, bis Camille aufwachte. Sobald sie angezogen war, nahm er sie mit auf einen kleinen Spaziergang und brachte ihr die Neuigkeit behutsam, sehr behutsam bei. Camille setzte sich im Schneidersitz ins Gras und blieb eine ganze Weile niedergeschlagen sitzen, die Hände an ihren Stiefeln, den Blick auf den Boden geheftet. Adamsberg hielt sie an der Schulter und wartete, bis der Schock etwas nachließ. Er redete leise und ohne Unterbrechung, um Camille in der Stille dieser düsteren Entdeckung nicht allein zu lassen.
    »Ich verstehe das nicht«, murmelte Camille. »Ich habe nichts gesehen, nichts gespürt. Er hatte überhaupt nichts Beunruhigendes.«
    »Nein«, erwiderte Adamsberg. »Er bestand aus zwei Teilen, dem ruhigen Mann und dem zerrissenen Kind. Laurence und Stuart. Du hattest nur einen der beiden Teile. Du brauchst es nicht zu bereuen, ihn geliebt zu haben.«
    »Er ist ein Mörder.«
    »Er ist ein Kind. Sie haben ihn kaputtgemacht.«
    »Er hat Suzanne massakriert.«
    »Er ist ein Kind«, wiederholte Adamsberg entschieden. »Sie haben ihm keine Chance gelassen zu leben. Das ist die Wahrheit. Sieh es so.«
    Der Wacher erfuhr mit Bestürzung aus Solimans Mund, daß es nicht die geringste Hoffnung mehr gab, daß der Mörder sich als Werwolf entpuppte. Daß es nichts bringen würde, Lawrence von der Kehle bis zu den Eiern aufzuschlitzen und daß der harmlose Massart seit sechzehn Tagen tot war. Der Alte nahm diese schmutzige Wahrheit nicht ohne Mühe auf, aber paradoxerweise beruhigte ihn die Enthüllung der wahren Umstände von Suzannes Tod. Suzanne war ein Bauernopfer gewesen. Er hatte sich schwere Vorwürfe gemacht, weil er in dem Augenblick, als der Wolf Suzanne angriff, nicht dagewesen war. Aber Suzanne war nicht das überraschende Opfer eines unvorhergesehenen Angriffs gewesen. Sie war in eine Falle gelockt worden, und das hätte auch der Wacher mit seiner ganzen Wachsamkeit nicht verhindern können. Lawrence hatte dafür gesorgt, daß der Schäfer wegmußte, bevor er Suzanne rief. Nichts und niemand hätte daran irgend etwas ändern können. Der Wacher atmete endlich auf.
    »Dich, mein Junge«, sagte er zu Adamsberg, »habe ich gerettet.«
    »Ich bin dir was schuldig«, sagte Adamsberg.
    »Das hast du mir schon gegeben.«
    »Den Wein?«
    »Den Mörder von Suzanne. Aber paß auf, Junge, paß auf dich auf. Er hätte dich fast gekriegt, und das rothaarige Mädchen auch.«
    Adamsberg nickte.
    »Du träumst zuviel, Junge«, fuhr der Wacher fort, »und wachst nicht genug. Das ist nicht gut in deinem Beruf. Aber mich nennt man nicht umsonst den Wacher. Immer gut beinander.«
    »Was hast du gesehen, Wacher?«
    »Ich hab den Kanadier gesehen, als er hinter dir rausgegangen ist, und ich habe gesehen, daß er dir nichts Gutes wollte. Ich bin nicht blind. Ich habe geglaubt, es sei wegen der Kleinen. Und ich habe gesehen, daß er
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