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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht
Autoren: Fred Vargas
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er?«
    »So wie die letzten Tage. Friedlich. Er findet, die Gendarmen stinken nach Schweiß.«
    »Und stimmt das?«
    »Natürlich stimmt das.«
    »Ich werde ihm schreiben. Wenn ich in den Bergen bin.«
    »Fährst du nach Saint-Victor zurück?«
    »Ich begleite sie zurück nach Les Écarts. Ich fahre auch zurück.«
    »Ja.«
    »Ich bin die Fahrerin.«
    »Ja, natürlich.«
    »Sie können nicht Auto fahren.«
    »Ja. Paß gut auf, auf der Strecke.«
    »Ja.«
    »Sei vorsichtig.«
    »Ich werde vorsichtig sein.«
    Adamsberg legte seinen unverletzten Arm um Camilles Schultern und sah sie im Licht der Taschenlampe schweigend an.
    »Kommst du zurück?« fragte er.
    »Ich werde ein paar Tage dort bleiben.«
    »Und dann fährst du?«
    »Ja. Sie werden mir fehlen.«
    »Kommst du zurück?«
    »Wohin?«
    »Na, ich weiß nicht. Nach Paris?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Oh, verdammt, Camille, red nicht so wie ich. Wir kommen nicht voran, wenn du so redest wie ich.«
    »Um so besser«, sagte Camille, »das kommt mir gelegen. Es gefällt mir, wie es gerade ist.«
    »Aber übermorgen wird es anders sein. Übermorgen gibt es keinen Straßenrand mehr, keinen Laster, nichts Vorläufiges mehr, nichts Vorübergehendes. Auch keine Flußufer mehr.«
    »Ich werde neue schaffen.«
    »Flußufer?«
    »Ja.«
    »Womit?«
    »Mit dem Katalog. Der Katalog kann alles.«
    »Wenn du das sagst. Was machst du dann mit den Flußufern?«
    »Ich geh an ihnen entlang und schau, ob du da bist.«
    »Ich werde dasein.«
    »Vielleicht«, sagte Camille.
    Am nächsten Morgen klemmte sich Camille hinter das Steuer des Viehtransporters, ließ den Motor an und setzte ein Stückchen zurück, um unter großem Blechgeschepper zum Wenden anzusetzen. Nebeneinander aufgereiht, sahen der Wacher, der sich mit Hilfe seines Stocks wieder aufrecht hielt, Soliman und Adamsberg schweigend und ernst zu, wie der Laster das Manöver vollführte. Camille überquerte die Landstraße, setzte erneut ein Stück zurück, hielt am rechten Straßenrand an, die Front in Richtung Osten, und stellte den Motor ab.
    Adamsberg überquerte langsam die Straße, kletterte die beiden Trittstufen zur Fahrerkabine hinauf, umarmte Camille, strich ihr über das Haar und kam auf die Wiese zurück, wo ihn die beiden Männer erwarteten. Er schüttelte dem Wacher die Hand.
    »Wache über dich, mein Junge«, sagte der Wacher. »Ich bin nicht mehr hinter dir.«
    »Es brauchen dich ja nicht alle im Gefolge zu haben«, sagte Soliman.
    Soliman warf Camille einen Blick zu, dann schüttelte er Adamsbergs Hand.
    »›Trennung‹«, sagte er. »›Die Tatsache, sich zu trennen, eine Bindung zu lösen, sich zu verlassen.‹«
    Er ging zum Laster, kletterte durch die rechte Tür, hievte den Wacher auf seinen Sitz und schlug die Tür zu. Adamsberg hob die Hand, und der Viehtransporter setzte sich unter großem Lärm in Bewegung. Er sah zu, wie der Wagen sich entfernte und dann nach achtzig Metern anhielt. Soliman sprang aus der Fahrerkabine und kam auf ihn zugerannt.
    »Die Wanne, verdammt!«
    Er rannte an Adamsberg vorbei, ohne stehenzubleiben, flitzte zu ihrem alten Standplatz und nahm die Wanne, die noch im Gras lag, das von den Rädern und dem Umherlaufen niedergetreten war. Außer Atem und in großen Schritten kam er zurück. Als er auf Adamsbergs Höhe war, blieb er stehen und streckte ihm noch einmal die Hand hin.
    »›Schicksal‹«, sagte er. »›Möglichkeiten, Begegnungen. Wechselfälle oder Umstände, die einen - zufällig oder nicht - einer Person oder Sache begegnen lassen.‹«
    Er lächelte und ging zum Viehtransporter zurück, während er elegant die blaue Wanne schwenkte. Der Laster fuhr wieder an und bog um die nächste Kurve.
    Adamsberg zog sein Heft aus seiner Gesäßtasche, schlug es auf und notierte, solange er sich noch daran erinnerte, Solimans letzte Definition.
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