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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht
Autoren: Fred Vargas
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mich für Tiere«, erklärte Fromentin verlegen. »Ich informiere mich hier und da.«
    Er richtete die Lampe auf Adamsbergs Arm.
    »Sie bluten«, sagte er.
    »Ja«, antwortete Adamsberg. »Die Wunde ist wieder aufgegangen, als er sich auf mich gestürzt hat.«
    »Was hat ihn dazu gebracht, aus der Deckung zu gehen?«
    »Das war heute abend. Ich habe ihn angesehen.«
    »Ja und?«
    »Ich habe in seinem Gesicht die Züge von John Padwell wiedergefunden. Er wußte, daß ich hartnäckig die Spur seines Vaters verfolge, er hat kapiert, daß ich's kapieren würde.«
    Lawrence kam an ihm vorbei, von zwei Gendarmen gestützt. Ein dritter Gendarm gab Adamsberg sein Hemd und sein Holster zurück. Soliman holte sich seine Hose wieder.
    »Waren Sie heute abend mit ihm zusammen?« fragte Fromentin stirnrunzelnd und machte Anstalten, den Gendarmen zu folgen.
    »Er war ständig da«, sagte Adamsberg und setzte sich ebenfalls in Bewegung. »Er hat dieses Gerücht von dem Wolfsmenschen in die Welt gesetzt, dann hat er ihm drei Personen hinterhergeschickt, um es weiter zu nähren. Er wußte jeden Tag genau über den Stand der Verfolgung Bescheid. Nicht wir sind ihm gefolgt, er hat uns geleitet.«
    Lawrence wurde in das Krankenhaus von Montdidier gefahren, und Fromentin brachte Adamsberg und Soliman persönlich zum Laster.
    »Morgen um fünfzehn Uhr Verhör, wenn der Kanadier dazu in der Lage ist«, sagte Adamsberg. »Benachrichtigen Sie die Staatsanwaltschaft, und zwar so früh es geht, geben Sie Montvailland in Villard-de-Lans, Hermel in Bourgen-Bresse und Aimont in Beicourt Bescheid. Brévant in Puygiron rufe ich selbst an, damit sie um Massarts Hütte herum suchen.«
    Fromentin nickte. Er gab seinem Kollegen ein Zeichen, das Motorrad von Lawrence mitzunehmen, und fuhr los.
    »Verdammt!« rief Soliman plötzlich und sah den Gendarmeriekombis hinterher. »Verdammt, das Haar! Die Fingernägel! Was machst du mit den Fingernägeln?«
    »Das klärt die Frage mit den Fingernägeln.«
    »Das waren doch die Nägel von Massart. Was machst du damit?«
    »Es waren die Nägel von Massart«, sagte Adamsberg, während er langsam die Straße entlangging, »und es waren abgeschnittene Fingernägel. In der Hütte am Mont Vence hat Brévant nicht einen einzigen Fingernagel im Bad gefunden. Erst mußte Hermel noch auf die Idee kommen, das Zimmer zu durchkämmen, damit schließlich Fingernägel gefunden wurden. Aber abgekaute Fingernägel, Soliman. Das war das Störende daran. Einerseits ein Typ, der eine Nagelzange benutzt, andererseits ein Typ, der abgekaute Fingernägel neben dem Bett hinterläßt. Entweder oder, Sol. Danach, als wir sein Hotel ausfindig gemacht und dann diese zwei Fingernägel und das Haar gefunden haben, hatte ich den Eindruck, daß wir wirklich Glückspilze sind. Ja, wir waren wirklich Glückspilze. Angesichts der Karte habe ich daran gezweifelt, daß Massart zufällig zuschlägt. Angesichts dieser Sache mit den Fingernägeln habe ich an der Existenz von Massart gezweifelt.«
    »Aber verdammt, wo kommen die Fingernägel dann her?« fragte Soliman.
    »Laurence hat sie dem Toten abgeschnitten, Soliman.«
    Soliman verzog angewidert das Gesicht.
    »Er hat nicht bedacht, daß Massart an den Nägeln kauen könnte. Er hat sich so was einfach nicht vorgestellt. Er ist ein zu sauberer, zu sorgfältiger Mann. Der erste Fehler des Kanadiers.«
    »Gab es weitere?« fragte Soliman, den Blick auf Adamsberg geheftet.
    »Ein paar. Die Kerzen und die Morde am Fuß der Kreuze. Ich weiß nicht, ob Laurence Massarts Neigung zum Aberglauben kannte oder ob Camille ihn nichtsahnend darüber informiert hat. Es hat ihm gefallen, sich dieser Tatsache zu bedienen, da sie euch interessierte. In Beicourt hat er es jedoch, bedrängt von den Bullen, vorgezogen, weitab von jedem Kalvarienberg und jedem Kreuz zu morden. Abergläubische Menschen tun so was nicht. Sie klammern sich hartnäckig an ihren Aberglauben, sie lassen gerade bei einer so wichtigen Sache keinesfalls davon ab. Aber er hat Hellouin auf einer ganz gewöhnlichen Wiese umgebracht. Das bedeutete, daß die Kreuze zweifellos keinen tieferen Sinn haben konnten. Ebensowenig die Kerzen. Alles deutete auf denselben Punkt zurück: In diesem Fall wäre Massart nicht Massart gewesen. Verstehst du, Sol, ich war bereit für die Hypothese Padwell. Ich habe sie erwartet.«
    »Aber ohne die Ähnlichkeit mit seinem Vater«, wandte Soliman mit einer Spur Beklommenheit ein, »hättest du den Kanadier nie erwischt.
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