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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht
Autoren: Fred Vargas
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gefunden?« fragte er dann.
    »Nachdem du weg warst, habe ich mich hingelegt. Lawrence ist durch den Laster gegangen und hat sich draußen angezogen. Ich habe die Plane hochgehoben und gesehen, wie er sich in deine Richtung entfernt hat. Ich hab mir gedacht, daß er dich wegen einer netten kleinen Erklärung sucht, was Camille betrifft, und habe mir gesagt, daß mich das nichts angeht. Nicht wahr? Aber der Wacher hat sich kerzengerade auf sein Bett gesetzt und gesagt: ›Geh ihm nach, Sol.‹ Und er hat das Gewehr unter seinem Bett vorgezogen und es mir in die Hand gedrückt.«
    »Der Wacher wachte«, sagte Adamsberg.
    »Offenbar. Dann habe ich gesehen, wie der Trapper dir den Weg versperrte, und habe gedacht, daß das eine nette kleine Erklärung werden würde. Schließlich hat es eine schlechte Wendung genommen, und du hast zu ihm gesagt: ›Hallo Padwell‹, oder so was in der Art. In dem Moment hab ich kapiert, daß es sich nicht um eine nette kleine Erklärung handelt.«
    Adamsberg lächelte.
    »Du wärst beinahe umgebracht worden«, bemerkte Soliman.
    »Wir hatten immer einen Zug Verspätung«, sagte Adamsberg stirnrunzelnd. »Von Anfang an. Wir haben einen Teil aufgeholt, aber ein paar Stunden fehlten uns.«
    »Ich dachte, Padwell wäre tot.«
    »Es ist sein Sohn. Stuart.«
    »Willst du damit sagen, daß der Sohn die Pläne des Vaters ausführte?« fragte Soliman und musterte den am Boden liegenden Trapper.
    »Als der Vater Simon Hellouin getötet hat, war der Junge zehn Jahre alt. Er hat den Mord mit angesehen. Daraufhin war der kleine Stuart erledigt. Um so mehr, als seine Mutter unmittelbar danach mit dem Bruder von Hellouin abgehauen ist. Während der achtzehn Jahre im Knast hat Padwell seinen Sohn in der fixen Idee nach Rache erzogen, der Idee, alle Männer zu vernichten, die ihm seine Mutter weggenommen haben.«
    »Und die anderen beiden Typen? Sernot und Deguy?«
    »Zwangsläufig zwei Geliebte der Mutter. Es gibt keine andere Erklärung.«
    »Und Suzanne?« fragte Soliman dumpf. »Was hatte Suzanne mit der Sache zu tun? Soll sie das alles über den Trapper gewußt haben?«
    »Suzanne wußte gar nichts.«
    »Hat sie gesehen, wie er die Schafe mit seinem verdammten Schädel umgebracht hat?«
    »Nichts von alldem, sag ich dir. Er hat sie nicht umgebracht, weil sie von einem Werwolf geredet hat. Er hat sie umgebracht, weil sie nicht von einem Werwolf geredet hat und nie davon geredet hätte. Aber nachdem sie tot war, konnte er sie sagen lassen, was er wollte. Dazu diente ihm Suzanne. Sie war nicht mehr da, um es abzustreiten.«
    »Aber warum denn nur, um Himmels willen?« fragte Soliman mit zitternder Stimme.
    »Um das Gerücht von einem Werwolf in die Welt zu setzen. Nur deshalb, Soliman. Er hätte nie den Fehler begangen, es selbst zu tun.«
    Soliman seufzte im Dunkeln.
    »Ich verstehe diesen ganzen Zirkus mit den Wölfen nicht.«
    »Es war nötig, damit man an das Gemetzel eines Verrückten glaubt, an zufällige Morde, und er brauchte einen Schuldigen. Er hat sich die ganze Psychostory von dem lykanthropischen, mordgierigen Massart ausgedacht. Er hatte ausgezeichnete Möglichkeiten. Berufserfahrung, Mittel, Kenntnisse, das Alibi seiner Anwesenheit im Mercantour.«
    »Und Massart?«
    »Massart ist tot. Das war er schon von Anfang an. Lawrence wird ihn irgendwo am Mont Vence begraben haben. Da kommen die Bullen, Sol.«
    Adamsberg und Soliman gingen den Gendarmen entgegen, der eine mit nacktem Oberkörper, der andere in Unterhosen. Fromentin hatte die Männer der Brigade von Montdidier zur Verstärkung mitgebracht. Zehn Mann schienen ihm nicht zuviel, um den Werwolf zu bändigen.
    »Da liegt er«, sagte Adamsberg und zeigte auf Lawrence. »Rufen Sie einen Arzt, ich habe ihn am Kopf verletzt.«
    »Wer ist der Kerl?« fragte Fromentin, während er seine Stablampe auf das Gesicht des Kanadiers richtete.
    »Stuart Donald Padwell, der Sohn von John Padwell. Hier ist er unter dem Namen Laurence Donald Johnstone bekannt. Das ist die Waffe, Fromentin.«
    »Scheiße«, sagte er, »das war kein Wolf.«
    »Nur sein Schädel. Irgendwo in den Packtaschen seines Motorrads werden noch die Pfoten des Tieres liegen.«
    Interessiert richtete der Hauptmann seine Lampe auf den Schädel.
    »Das ist ein Polarwolf«, sagte Adamsberg. »Er hatte dort drüben alles vorbereitet.«
    »Verstehe«, bemerkte Fromentin und nickte. »Polarwölfe sind die mit Abstand größten Wölfe.«
    Adamsberg sah ihn erstaunt an.
    »Ich interessiere
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