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Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)

Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)

Titel: Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)
Autoren: Helle Vincentz
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    Die Drehtür am Eingang des Glasgebäudes verschlang die dunklen Anzüge, einen nach dem anderen.
    In der Sekunde, in der die Eigentümer der Anzüge in die hungrige Tür hineintraten, richteten sie sich auf. Sie wussten, sie waren etwas Besonderes. Auserwählte. Besser als die meisten.
    Caroline streckte den Rücken durch und wollte sich gerade verschlingen lassen, als ein schwarzer Mercedes ML mit getönten Scheiben an ihre Seite rollte. Abrupt blieb sie stehen.
    Der Fahrer stieg aus, ging um das Auto herum und öffnete die hintere Seitentür. Zu sehen waren zuerst ein Paar Schuhe. Sie glänzten im Morgenlicht. Church-Schuhe, vermutete sie. Den Füßen folgte ein Körper, der langsam von dem hohen Autositz herabglitt. Auf dem Boden landete Direktor Clausen, Dana Oils oberster Chef.
    Caroline stand wie festgefroren, während der untersetzte Direktor, ohne zu grüßen, an ihr vorbei und allein durch die Drehtür ging. Eine kalte Aura zitterte wie eine fast sichtbare, eisblaue Schicht um ihn herum.
    Auf der anderen Seite der Tür hörte sie, wie alle Gespräche im Empfangsbereich verstummten. Alle Anzugträger konzentrierten sich verbissen darauf, geschäftig auszusehen, und die Frauen hinter dem langen Empfangstresen nickten ehrerbietig, als der Chef vorbeiging.
    Einen Augenblick später glitt Caroline durch die Tür. Sie schielte zu den beiden Empfangsdamen hinüber, aber die beachteten sie nicht; sie nickten immer noch dem Rücken des Direktors hinterher.
    Sie sah ihm nach, Direktor Clausen, oder der Scharfrichter, wie er genannt wurde. Er war es, der Dana Oil zu dem gemacht hatte, was das Unternehmen heute war. Eine top aufgestellte, ehrgeizige Firma, die auf ihrem Gebiet als eine der Allerbesten der Welt bekannt war. Wie sein Spitzname andeutete, hatte es Opfer gefordert, das Eckbüro zu erobern. Viele Opfer. Wollte man in die oberste Etage eines Unternehmens, in dem spitze Ellenbogen nur ein Beiwort waren, musste man bereit sein, sich die Finger blutig zu machen.
    Caroline folgte dem Scharfrichter zu der mattierten Sicherheitspforte, die alle passieren mussten, um in das Unternehmen hineinzukommen. Sie zog ihre Zugangskarte aus der Tasche und hielt sie vor das elektronische Lesegerät. Es piepte, die Pforte öffnete sich zischend und ließ sie passieren. Mit festem Schritt setzte sie ihren Weg quer über die glänzenden, schwarzen Fliesen hin zu der breiten Treppe und den beiden Glasfahrstühlen im Empfangsbereich fort.
    Sie schielte kurz in Richtung Fahrstuhl, folgte dann aber Direktor Clausen die Treppe hinauf. Bei Dana Oil war es nicht gern gesehen, den Fahrstuhl zu benutzen, es sei denn, man war behindert, schwanger oder Gast des Hauses.
    Im fünften Stock ging sie hoch aufgerichtet zum Großraumbüro am Ende des Ganges. Sie grüßte die Kollegen, die da waren– und das waren die meisten, denn die Uhr näherte sich der Ziffer acht– und schaltete ihren Computer an. Zehn Mails waren eingegangen, seit sie den Computer gegen Mitternacht heruntergefahren hatte. Eine war von ihrem Chef; Caroline öffnete sie und las.
    Eine nervöse Unruhe machte sich in ihrem Magen breit. Durch die klinisch reine Bürolandschaft schaute sie in das Büro des Chefs hinter der Glaswand. Dort saß ihr Chef, Markvart. Gepflegt und wie immer in einem maßgeschneiderten Anzug, der wie angegossen an seinem fast zwei Meter großen, schlanken Körper saß. Heute war der Anzug grau und passte somit zu den stilvoll ergrauten Schläfen. Caroline versuchte, Augenkontakt mit ihrem Chef zu bekommen, aber der starrte intensiv auf den Bildschirm seines Computers. Es war unmöglich zu beurteilen, ob er von der Arbeit gefesselt war oder ob er bewusst versuchte, ihren Blick zu vermeiden.
    Sie schaute durch das Büro, in dem sich auf beiden Seiten des Raumes die Tische jeweils paarweise gegenüberstanden. Die Gesichter der Kollegen waren konzentriert und ausdruckslos, frei von nervösen Regungen. Anscheinend hatte niemand anderes eine beunruhigende Chef-Mail erhalten– oder sie waren nur trainiert darin, versteinerte Mienen aufzusetzen, damit diese sie nicht verrieten.
    Sie las die Mail noch einmal.
    »16 Uhr in meinem Büro. / Markvart «
    Mehr stand da nicht.
    Die Unruhe verbreitete sich schnell, vom Magen ausgehend, auf den Rest des Körpers. Caroline stand auf und ging durch das Büro nach draußen auf die Toilette.
    Sie beugte sich über das Designerwaschbecken und holte tief Luft. Aber die Atemübungen aus der Zeit, in der sie sich noch
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