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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
Autoren: Karl May
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ERSTES KAPITEL
    Entlarvt
    Die türkische Rechtspflege hat bekanntlich ihre Eigentümlichkeiten, sagen wir geradezu ihre Schattenseiten, die um so deutlicher hervortreten, je entlegener die Gegend ist, um die es sich handelt. Unter den dortigen Verhältnissen ist es nicht zu verwundern, daß da, wo die verschiedenen zuchtlosen, sich ewig befehdenden Stämme der Arnauten ihre Wohnsitze haben, von einem wirklichen ‚Recht‘ fast gar nicht gesprochen werden kann.
    Bei Ostromdscha beginnt das Gebiet dieser Skipetaren, welche nur das eine Gesetz kennen, daß der Schwächere dem Stärkeren zu weichen hat. Wollten wir nicht den kürzeren ziehen, so mußten wir dasselbe auch für uns in Anwendung bringen. Wir hatten dies schon am Nachmittag, und zwar, wie man weiß, mit Erfolg getan und waren entschlossen, bei der Sitzung, welcher wir nun jetzt entgegengingen, in in derselben kräftigen Weise aufzutreten.
    Als wir nach dem ‚Gerichtsgebäude‘ aufbrachen, war die Dämmerung eingetreten. Wir sahen unterwegs viele Menschen stehen, welche im Hof keinen Platz gefunden und sich hier aufgestellt hatten, um uns wenigstens kommen zu sehen.
    Als wir im Hof ankamen, wurde das Tor hinter uns verschlossen, das war für uns kein gutes Zeichen. Der Mübarek hatte seinen Einfluß aufgeboten und zwar nicht ohne Erfolg, wie es schien.
    Wir konnten kaum durch die Menge bis an den Platz des Verhörs gelangen. Wo vorher nur ein Stuhl gestanden hatte, war jetzt noch eine lange Bank aufgestellt. Der Apparat zur Bastonade lag noch an derselben Stelle.
    Man hatte Öl in Gefäße gegossen, Werg hineingetan und dasselbe angebrannt. Diese Flammen ließen alles in einem abenteuerlichen Licht erscheinen.
    Die Herren vom Gericht befanden sich im Innern des Hauses. Unsere Ankunft wurde ihnen gemeldet. Die Kawassen postierten sich so um uns, daß sie den Weg nach dem Tor versperrten. Da dasselbe verschlossen war, so ließ sich dieses Verhalten der Polizisten doppelt bedenklich für uns deuten.
    Lautlose Stille herrschte rundum. Jetzt erschienen die fünf Herren, und sofort zogen die Kawassen blank.
    „O Allah!“ sagte Halef in ironischem Ton. „Wie wird es uns ergehen, Sihdi! Ich zittere vor Angst.“
    „Ich ebenso.“
    „Soll ich diesen dummen Menschen, die da glauben, uns mit ihren Säbeln bange zu machen, meine Peitsche schmecken lassen?“
    „Keine Dummheit! Du warst heute schon einmal voreilig und trägst die Schuld, daß wir uns überhaupt hier befinden.“
    Die fünf Richter hatten Platz genommen: der Kodscha Bascha auf dem Stuhl und die anderen auf der Bank. Ein Frauenzimmer drängte sich aus der Menge herbei und nahm hinter dem Stellvertreter Stellung. Ich erkannte Nohuda, die Erbse, welche ihrer Schönheit mit Eisenocker nachhalf. Der Stellvertreter war also wohl ihr glücklicher Ehemann. Er hatte sehr nichtssagende Gesichtszüge.
    Zunächst dem Kodscha Bascha saß der Mübarek. Er hatte ein Papier quer über das Knie gelegt. Zwischen ihm und seinem Nachbar stand ein kleiner Topf. Da eine Gänsefeder in demselben steckte, so vermutete ich, daß er die Tinte enthalte.
    Der Kodscha Bascha wackelte mit dem Kopfe und räusperte sich auffällig. Dies war das Zeichen, daß die Verhandlung beginnen solle. Er begann mit krähender, weithin schallender Stimme:
    „Im Namen des Propheten und im Namen des Padischah, dem Allah tausend Jahre verleihen wolle! Wir haben diese Kasa zusammenberufen, um über zwei Verbrechen zu urteilen, welche sich heute in unserer Stadt und in deren Nähe ereignet haben. Selim tritt vor! Du bist der Ankläger. Erzähle nun, was mit dir geschehen ist.“
    Der Kawaß trat in die Nähe seines Herrn und erzählte. Was wir zu hören bekamen, war geradezu lächerlich. Er hatte sich in der angestrengtesten amtlichen Tätigkeit befunden und war von uns mörderisch überfallen worden. Nur durch Unerschrockenheit und durch die tapferste Gegenwehr war es ihm gelungen, sein Leben zu retten, sagte er.
    Als er geendet hatte, fragte ihn der Kodscha:
    „Und welcher ist es, der dich schlug?“
    „Dieser hier ist es“, antwortete er, auf Halef deutend.
    „So kennen wir nun ihn und seine Tat und werden zur Beratung schreiten.“
    Er begann, mit seinen Beisitzern zu flüstern, und erklärte nach einer Weile mit lauter Stimme:
    „Die Kasa hat beschlossen, daß der Verbrecher auf jede Fußsohle vierzig Hiebe erhalten und dann vier volle Wochen eingesperrt werden soll. Das verkündigen wir im Namen des Padischah. Allah segne
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