Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna
Autoren: Sandberg
Vom Netzwerk:
zu sehen. Immer wieder
sich entfernend, wie eine lange Reihe sich wiederholender Bilder von ihrem
Rücken, den langen Beinen, dem struppigen Haarschopf. In immer seltsameren Kleidern,
umweht von Düften, die ihrer Mutter fremd waren, telefonierte sie irgendwohin
und sprach in Sprachen, die Jadzia nicht verstand, mit Leuten, die Jadzia nie
gesehen hatte, und kurz darauf packte sie wieder ihre Sachen und verabschiedete
sich mit einem herben Kuss. Da fliegst du wieder, du Wirbelwind, du
Flattervogel, sagte die Mutter sarkastisch. Dann flieg und sing. Sie schloss die
Tür, mit dem leisen Klicken der Klinke war ihr Sarkasmus am Ende, das Warten
begann wieder, und Jadzias Warten stand im Zeichen ihrer Phantasien von allen
erdenklichen Unglücksfällen, die Dominika zustoßen könnten, wenn sie nicht in
ihrer Nähe war. Dominika lief indessen die Treppen hinunter und schüttelte all
das Unglück ab, das ihr widerfahren könnte, wenn sie auf Piaskowa Göra bliebe.
    Nach Jahren hat
Jadzia endlich zugestimmt - Dominika kann sie zu sich holen. Jetzt steigt die
Tochter die dunklen Treppen hinauf zu ihrer Mutter. Wie schwer ihr das Gehen
hier fällt. Sie spürt, dass die Narbe auf ihrer Wange, normalerweise kaum
sichtbarer als ein silbriger Altweibersommerfaden, rot angelaufen ist, wie
immer, wenn sie sich anstrengt. Im Treppenhaus gibt es kein Licht, die fleischfarben
angestrichenen Wände kommen ihr vor, als würden sie im nächsten Augenblick
einstürzen und sie für immer unter sich begraben. Die Treppengeländer sind
klebrig und glitschig, Dominika ekelt sich, sie zu anzufassen. Sie bekommt
keine Luft, obwohl sie eine kräftige, durchtrainierte Frau mit flachem Bauch
und muskulösen Beinen ist. Die wilden Haare, die man ihr nach dem Unfall
abrasiert hatte, um die Kopfverletzung nähen zu können, hat sie nie wieder
nachwachsen lassen. Sie trägt ihr Haar ein paar Zentimeter lang in einem
Haarschnitt, der weder männlich noch weiblich ist, und es kommt vor, dass sie
auf Reisen, auf einem Flughafen oder in einer Bar am Straßenrand, in den Augen
zufälliger Gesprächspartner Unsicherheit wahrnimmt - ist sie Frau oder Mann?
Dann wählt sie ihre Worte so, dass diese Unsicherheit möglichst lange erhalten
bleibt, ihr Lächeln ist schelmisch und glücklich. Dominika steigt die Treppe
hinauf, aber es fühlt sich an, als stiege sie gegen einen Widerstand in die
Tiefe.
    Körper, Haar
und Augen gesegnet waren. Ach, wenn Dominika doch so einen Arzt, träumte sie,
wenn sie doch so einen Doktor Michorowski heiraten würde, im Schleier,
handgestickt von ihrer Mutter. Piekfein, schnalzte sie, wenn sie im
Sonderangebot Dinge kaufte, die sie nie aufessen und aufbrauchen würde, echt
piekfein, wenn sie die bunten Schachteln und Dosen betrachtete. Sie errichtete
Vorratspyramiden daraus, baute chinesische Mauern aus Erbsen und Ölsardinen,
Seifen und Waschpulver, legte für ihre Tochter Geschenkpackungen mit Kosmetika
zurück und Weihnachtssüßigkeiten, die nach den Feiertagen heruntergesetzt
wurden. Sie erzählte Dominika, dass es morgens die meisten Verkostungen gab
und die Frauen zum Frühstück hinrannten. Die Herumlungerer und Obdachlosen, in
der Regel ehemalige Bergleute, wurden vom Sicherheitspersonal hochkant aus dem
Laden geworfen, doch an den tagtäglichen Ansturm alter Frauen hatte man sich
gewöhnt. Was kann so eine Oma schon essen, und klauen wird sie auch nicht viel,
Mal einen Schokoriegel oder ein Stück Palmolive-Seife, oder sie besprüht sich
heimlich mit Bac-Deo oder Raumspray mit Meeresbrisenduft. Die können ruhig ein
paar Mal zwischen den Regalen auf und ab gehen und von den winzigen Würfelchen
Hartkäse kosten, von den Cornflakes mit Milch und den Wurstscheiben an
Zahnstochern, die man hinterher benutzen kann, um die hartnäckigen Reste, die
sich beim besten Willen nicht aus den Ritzen heraussaugen und -schmatzen
lassen, aus der Prothese zu pulen. Ein paar ganz Dreiste gehen bis zu dreimal
zur Verkostung! Jadzia verzog das Gesicht ob solcher Ruchlosigkeit, und ihr zusammengekniffener
Mund schob sich rechts hoch bis zu dem straff gezogenen Wangenmuskel. Solche
Lümmel, sie machen eine kleine Runde und sind schon wieder da, um zu grabschen,
was sie kriegen können, für lau, um sich umsonst den Bauch vollzustopfen. So
hatte Jadzia ihre kleinen Vergnügen und ließ sich nicht einmal abschrecken,
als sie auf dem Weg zum Supermarkt zum ersten Mal so hinfiel, dass sie sich
zwei Wochen kaum bewegen konnte und außerdem noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher