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Bad Hair Years

Bad Hair Years

Titel: Bad Hair Years
Autoren: M Kink
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Feminismus, und strichen mir pünktlich nach dem ersten Abschluss die Kohle. Also wurde ich Fremdsprachenkorrespondentin, sprich Tippse mit super Englischkenntnissen. Tja.
    Ich war nicht nur pleite, ich war völlig verschuldet, da halfen auch die zahlreichen Kellnerjobs nicht mehr raus. Die Not trieb mich in die Fänge einer Zeitarbeitsagentur, die mich in die Patentabteilung einer großen Firma schickte, die Tiefkühltruhen oder Gabelstapler oder vielleicht sogar beides herstellt und das auch noch am Rand von München. Dort saß ich Tag für Tag und tippte Patentanmeldungen vom Band in einen Computer, der, ich schwöre, noch grün blinkte. Vom Band stimmt nicht, die hatten da noch Tonträger, die wie Schallplatten aussahen, mit Fußpedal und allem, ich kann das nicht näher erklären, das glaubt mir ja kein Mensch. Immerhin lernte ich dort Zehn-Finger-Speedtippen, blind. Seitdem kann ich nicht nur Unterhaltungen während des Schreibens führen, sondern meinem Gegenüber dabei auch noch in die Augen sehen, tippeditipp. Das heißt, ich könnte, wären die Gegenübers nicht immer so verstört ob meines bühnenreifen Multitasking.
    Es war die Hölle, aus der ich erst nach zwei langen Jahren vom Freund eines Freundes befreit wurde, ich mache ja nichts aus mir selbst heraus, sagte ich das schon? So landete ich als »Zweitsekretärin« im Vorzimmer des Vorstandschefs einer noch größeren Firma im Zentrum von München. Zweitsekretärin bedeutet, all das zu erledigen, wofür die Erstsekretärin aka Vorstandsassistentin dann das Lob oder den Bonus einheimst. Die verschiedenen Hierarchie-Stufen in dieser Zunft zeigen sich vor allem daran, von wem man zur Sau gemacht wird. Schreit einen der Vorstandsvorsitzende höchstpersönlich an, hat man’s geschafft.
    Genug Zeit, um nachzudenken, und hier ist das Ergebnis, oder vielmehr die Wahrheit: Ich langweilte mich fast zwanzig Jahre in diesem Beruf, von Leid, Ärger und Wut ganz zu schweigen. Seltsamerweise kam ich nie auf den Gedanken, daran etwas zu ändern, vermutlich war ich zu sehr damit beschäftigt, das Internet zu Ende zu lesen oder halt was ein Psychoanalytiker dazu zu sagen hätte. Immer schon empfand ich auch das größte Vorzimmer als Käfig, immer schon fühlte ich mich mit Handschellen an den Schreibtisch gefesselt, und die Routine und ich, wir streiten, seit wir uns kennen. Alles in allem war mir immer schmerzlich bewusst, dass die ersten drei Buchstaben in »Assistentin« nicht ohne Grund »Ass« lauten. Noch schmerzlicher sollte mir bewusst werden, dass auch ich es mit Teufeln zu tun hatte, die ebenfalls Prada trugen. Hätte ich doch nur mitgeschrieben, ich wäre reich, verdammt.
    Reich bin ich immer noch nicht, aber für einen ordentlichen Kaffee reicht es, und wenn den heute jemand von mir möchte, dann bin es meist ich selbst. Das alles hat ganz schön gedauert, und dazwischen ist auch viel Scheiße passiert. Oft aber auch überhaupt gar nichts.

»Selber schuld.«
    »Bitte? Ich hab mich wohl verhör t, was kann sie denn dafür?«
    »Na, wer sich so gehen lässt! Ich versteh ihn.
Das war ja nicht mehr auszuhalten.«
    »Es lag überhaupt nicht an ihr! Die Arme. Lässt der sie einfach sitzen, nach sieben Jahren! Und du hast kein bisschen Mitleid, Got t, du bist so herzlos!«
    »Sag nicht immer ›Gott.‹
    »Da. Schau. Sie weint.«
    »Seit wann ist die eigentlich so’n Weichei?«

Kinder, Küche, Kuchen
    Es war Ende 1999, ich besaß noch keinen eigenen Computer, hatte folglich keine Angst vor Abstürzen und also vor, auch so zu feiern. Gleich im Anschluss gedachte ich, mindestens zwei Kinder zu bekommen, um fortan in einer Münchner Altbauwohnung das zu tun, was man halt so tut, wenn man um die dreißig ist. Ich war spät dran, nämlich schon einunddreißig, benahm mich wie einundsechzig und hatte nichts als Kinder, Küche, Kirche im Kopf. Kirche ist gelogen, nehmen wir Kuchen, der Alliteration wegen. Zwar konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht kochen und schon gar nicht backen, hatte aber beste Absichten, dies in naher Zukunft bis zur Perfektion zu erlernen. Die nötigen Voraussetzungen waren allesamt da, mir stand nichts im Weg.
    Die Fernbeziehung würde mit dem Diplom des Geliebten bald Vergangenheit sein, die Altbauwohnung in München hatte ich schon besetzt, und zwar meist mit meinem Hintern auf der Couch und einer Pizza auf dem Schoß, und der Mann würde bald ein erfolgreicher Architekt sein. Ich hatte meine wilden Zwanziger mit Warten verbracht, mit der
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