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Bad Hair Years

Bad Hair Years

Titel: Bad Hair Years
Autoren: M Kink
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Servus!
    Am besten, ich stell mich erst mal vor. Stellt euch also bitte vor, wir treffen uns auf einer Party, fragen uns, wohin wir danach heimgehen, dann das mit dem Wetter, und dann: »Und was machst du sonst so?« Damit geht’s natürlich schon mal völlig falsch los, so macht man das ja gar nicht mehr. Privatpartys verabschieden sich in der Regel ab der Dreißig (die schöne Wohnung! Ich hab keine Spülmaschine! Sonst noch was?), und was ist eigentlich mit Smalltalk passiert? Macht man das nicht mehr? Ich fand es immer sehr entspannend, erst mal übers Wetter zu reden, das gibt in Deutschland wahrlich genug Stoff her.
    In den letzten Jahren aber kam es häufiger vor, dass ich mir bereits nach zehn Minuten entweder die Therapie-Erfahrungen oder die Beziehungsprobleme eines völlig Fremden anhören musste. So etwas führt bei mir zuverlässig dazu, dass ich entweder sofort noch ein Bier holen muss oder halt aufs Klo. Und zwar auf Nimmerwiedersehen. Ich schweife ab, aber das passiert mir ständig, besser, ihr gewöhnt euch schon mal dran. Ich widerspreche mir auch dauernd, da bitte auch ein Auge zudrücken. Also: Wenigstens ist das Wetter scheiße, und was ich sonst so mache?
    Ich bin Sekretärin, beziehungsweise war. Aber nur von Beruf. Wie mir das passieren konnte, ich weiß es nicht. Das stimmt gar nicht, natürlich weiß ich, wie mir das passiert ist, nämlich wie alles andere in meinem Leben auch, nämlich einfach so. Ich plane nicht, mir passiert immer nur. Das Gute an derartiger Planlosigkeit: Man lernt sehr schnell, mit allen möglichen und unmöglichen Situationen umzugehen, ohne dass gleich die Frisur in Unordnung gerät. Das Schlechte: Man hat wenig bis gar keine Kontrolle, was einem Kontrollfreak wie mir dann leider doch ab und zu die Haare zu Berge stehen lässt. Das allerdings nehme ich in Kauf, denn meinem Leben fallen nachweislich tollere Dinger ein, wenn ich mich nicht einmische, zweitens kommt sowieso immer alles linksrum, weshalb dieser Satz zum Beispiel auch kein erstens braucht. Es mangelt mir nicht nur an Strategie, sondern auch an Ehrgeiz, und so nahm ich mein berufliches Schicksal tagaus, tagein hin. Ich bin sehr leicht ruhigzustellen, eine Kaffeemaschine, entspannte Menschen, schnelles Internet und gute Musik reichen mir meist schon. Grundsätzlich war ich zwar all die Jahre leicht beleidigt, dass mir nach dem Abitur nichts Schickeres eingefallen ist und dass mich keiner meiner vielen Chefs nach Dienstschluss mal bat, mein Haar zu lösen und die Brille abzunehmen. Andererseits wusste ein schlecht beleuchteter Teil in meinem Kopf schon immer, dass es das nicht gewesen sein konnte, dass da Spannenderes kommen würde, vielleicht auch nur sollte, vielleicht aber auch musste. Was genau das sein würde, darüber wollte ich irgendwann mal nachdenken, wenn mein Nagellack trocken WAR.

»Wenn der Nagellack trocken ist! Wie denn, die lackiert sich doch andauernd die Nägel!«
    »Sieht aber hübsch aus! Vor allem, wenn sie den Kaffee in die Meetings bringt.«
    »Wenn ich diese Anzugtypen schon sehe, wird mir schlecht.«
    »Ach, schön wär’s schon, wenn wir das nicht mehr machen müssten. Aber wo kriegen wir dann die Kekse her? Sie kauft ja nie welche.«
    »Tu nicht so scheinheilig! Du bist doch schuld an der ganzen Misere! Wer hat denn damals einfach aufgegeben!«
    »Entschuldige mal, wir waren pleite!«
    »Das sind wir jetzt auch.«

Das »Ass« in Assistentin
    Natürlich bin ich selbst schuld, wer denn sonst. Ich hatte schlicht nicht aufgepasst nach dem Abitur, nachgedacht schon gar nicht, wie auch, zu der Zeit war doch keiner von uns nüchtern. So studierte ich Englisch und Französisch auf Lehramt, weil ich mir unter Magister nichts vorstellen konnte und weil Englisch und Französisch das Einzige war, was ich wirklich konnte. Heute gilt das nur noch für Englisch, das macht aber nichts, mir gefällt Französisch eh nicht besonders, und Paris hab ich schon viermal gesehen. Dass mein Berufsleben folglich darin bestehen würde, aufmüpfigen Vierzehnjährigen Jahr für Jahr den Fänger im Roggen zu erläutern, fiel mir erst später auf; ich wechselte konsequenterweise sofort auf die Sprachenschule, wo ich Fremdsprachenkorrespondentin, Übersetzer und Dolmetscher wurde. Also, fast. KorrespondentIN, aha, aber DolmetschER und ÜbersetzER, ja, fällt mir auch gerade auf, ich sollte mich schämen. Tu ich aber nicht. Die vom Bafög-Amt fanden das nicht o.k., also den Wechsel, nicht den Mangel an
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