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Bad Hair Years

Bad Hair Years

Titel: Bad Hair Years
Autoren: M Kink
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der es jeder schaffen kann! Nur mir reichte vorerst das bloße Dortsein – für meine Begriffe hatte ich es damit schon geschafft.
    Vom Hotel waren es fünf Minuten Fußweg ins Büro, das heißt fünf Minuten geradeaus die Straße entlang und danach noch etwa dreißig Minuten nach oben – aber dafür gibt es Expresslifte. Damit dauerte es nur drei Sekunden, bis man oben ankam, und dann noch einmal zwei Minuten, bis der Magen wieder da war, wo er hingehört. Das Chefbüro befand sich im zweiundvierzigsten Stock und wäre auch als Filmset durchgegangen; das Vorzimmer, also mein Büro, war ungefähr doppelt so groß wie meine Münchner Wohnung. Den Rest schmückten goldene Schallplatten, Grammys, gerahmte Autogramme, Blumen, CDs, Bildschirme und Stereoanlagen, wie es sich nun einmal gehört für eine Chefetage in der Musikindustrie. Der Teppichboden im Allerheiligsten bestand aus zwanzig Zentimeter tiefem weißem Kuschel und hätte mir mehr als einmal fast das Genick gebrochen, weil meine High Heels sich dort immer verfingen. Von meinem Schreibtisch hatte ich ungetrübten Panoramablick über Downtown bis hin zu den Twin Towers und der Freiheitsstatue. Top of the world, no shit.

»Whoa!«
    »Wollen wir erst mal auspacken? Es wird ja doch ein bisschen dauern, bis sie eine Wohnung gefunden hat.«
    »Whoa!«
    »Danach können wir rausgehen und den Weg zum Büro suchen … hey! Wart auf mich!«
    »Hammer! Darauf einen Drink! Martini, Cosmopolitan, Manhattan!«
    »Aber vorher sollten wir was essen.«
    »Whoa! Virgin Megastore 42nd Street! Whoa!«
    »Ja, wie im Film. Am besten, wir bleiben hier in Midtown und suchen uns ein hübsches Restaurant.«
    »TA-XI!«

Have a nice day, honey
    Außer Marc, einem Kollegen und Freund, der ein paar Monate vor mir nach New York gezogen war, kannte ich niemanden. Das war aber nicht schlimm. Was gemeinhin als amerikanische Oberflächlichkeit gehandelt wird, ist für mich nichts weiter als Freundlichkeit. Sollte eines der vielen »you have a nice day now, honey« nicht wirklich aus tiefstem Herzen so gemeint gewesen sein, dann ist mir das auch egal.
    Die neuen Kollegen erwiesen sich allesamt als Glücksfall und nahmen mich unter ihre Fittiche. Vielleicht lag es auch daran, dass ich nun die Chef-Tippse war und also in der Ranghöhe der dienenden Zunft ganz oben stand, aber das wäre ja noch schöner. Schließlich war ich alles andere als der Drachen im Haus, im Gegenteil, oft genug fühlte ich mich wie eine kleine Maus, ließ mir das aber selbstverständlich nicht anmerken. Die neuen Kollegen und Freunde hatten auch keinerlei Probleme, mich auf Partys und Events mitzunehmen (was ja auch eine Frechheit gewesen wäre), sie fanden höchstens meine Bedenken und Gegenargumente etwas seltsam. »Aber ich kenne die doch gar nicht« löste jedes Mal ein lapidares »so what?« aus. So lernte ich sie halt kennen, so what, so gut. Einige von denen habe ich heute noch an der Backe, obwohl wir viele tausend Miles entfernt leben.
    Der Büroalltag glich allen anderen, mit doppelt Stress, Wahnsinn und auf Amerikanisch. Wie alle Frauen, die sich bei solchen Gelegenheiten immer noch als »Mädels« bezeichnen, habe auch ich Der Teufel trägt Prada gesehen. Lesen Männer mit? Dann erklär ich mal: Es gibt da eine Szene, in der die große Sekretärin die kleine Sekretärin anschnauzt, weil die nicht schnell genug aus der Mittagspause zurückkommt, die große Sekretärin aber dringend pinkeln muss. Ich war die Einzige im Kino, ich wiederhole: Die Einzige, die bei dieser Szene nicht gelacht hat. Aus Grün-
den.
    Mit dem Handy aufs Klo? Wie denn sonst? Ich zucke heute noch zusammen, wenn jemand meinen Namen zu laut, zu forsch und aus einem anderen Zimmer ruft. Wahrscheinlich lebe ich deshalb alleine. Ein von der Couch aus gerufenes »Schatz, bringst du mir ein Bier mit« macht mich heute noch zur Zicke. So viel Dienstleistungs-Vergangenheit will erst mal bewältigt sein, Schatz hin oder her.
    Trotz Doppelbelastung waren das natürlich die besten Jahre meines Tippsen-Daseins. Doppelbelastung, Moment? Ich sagte doch schon, dass auch Erwachsene sich wie Babys verhalten, vor allem, wenn sie der Chef im Haus sind und dringend etwas brauchen, ob Brei oder Unterlagen, ist doch egal. Daher war mein Arbeitstag auch nie um 5:00 p.m. vorbei, im Gegenteil. Der Chef pendelte zwischen drei Büros, zwei davon in Deutschland, und oft genug wurde ich frühmorgens aus dem Schlaf geklingelt, um irgendeinen Termin abzusagen, Chefs
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