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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert
Autoren: Helmut Krausser
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schnarchende Anita bei Anbruch des Tages ins Bett befördert und
     war ins Nebenzimmer gegangen, um noch einige Single Malt Whiskeys aus der
     großzügig bestückten Minibar zu trinken, zu rauchen und
     über die Zukunft zu meditieren. Um auch ja keine Ordnungswidrigkeit
     zu begehen, hatte er seinen Aufenthaltsort per SMS an die von Lidia Rauch
     angegebene Nummer gesandt, für den Fall, daß neue Befragungen nötig
     würden.
    Wir sind im Kempinski. Stoßen
     Sie zu uns. Würde mich freuen. Gemeinsames Frühstück?
    Ruslan blies Rauchkringel in
     die Luft. Eine aparte Polizistin war das gewesen. Beherrscht und höflich.
     So ganz das Gegenteil von Anita. Reizvoll. Sportlich. Mit klangvoller
     Stimme. Sehr sexy. Wie sie wohl im Bett war? Ein kalter Fisch? Eine heiße
     Stute? Rasiert? Über dieser Frage eingeschlafen, hatte er im
     Gazellenleder ein centgroßes Brandloch hinterlassen, was er nun
     bedauerte und einerseits dem toten Tier, andererseits dem erlesenen Möbel
     gegenüber als respektlos empfand. Sein Vater hatte ihn mit der
     Peitsche dazu erzogen, allen Phänomenen dieser Welt liebevoll und
     neugierig zu begegnen.
    Nabel schaltete sein Handy
     ein, als er aus dem Haus lief. Mehrmals versuchte ihn Seidel zu erreichen,
     er reagierte nicht. Immer wieder starrte er auf die SMS.
    Wir sind im Kempinski. Stoßen
     Sie zu uns. Würde mich freuen. Gemeinsames Frühstück?
    »Wohnt bei Ihnen ein
     gewisser Dschanow oder eine Gräfin Schönfels?«
    »Ich bin«, meinte
     die junge Dame an der Rezeption bedauernd, »leider nicht berechtigt,
     eine solche Information zu erteilen.«
    »Pfeifer.
     Kriminalpolizei.« Nabel hielt seine Marke hoch. »Jetzt sind
     Sie es! Und ich bin in Eile.«
    Die Dame nickte
     geflissentlich und sah, stoßweise pustend, im Gästebuch nach.
    Es wurde an die Tür
     geklopft. Dschanow fragte, wer da sei. Nabel meldete sich unter eigenem
     Namen. Dschanow seufzte und öffnete. Er hatte mit sowas gerechnet.
    »Was gibts?«
    »Ich hätte noch
     ein paar Fragen. Darf ich reinkommen?«
    Dschanow winkte ihn hinein.
     Dann stutzte er, wendete sich um, betrachtete den lästigen Besucher
     noch einmal genauer. Irgendwas stimmte mit ihm nicht. Er trug einen
     Schnurrbart. Den hatte der Polizist gestern aber nicht, oder? Konnte ihn
     seine Erinnerung so an der Nase herumführen? Es war früh, er
     hatte für seine Verhältnisse viel getrunken gestern nacht. Und
     wenig geschlafen.
    »Was haben Sie denn da
     im Gesicht?«
    »Der Schnurrbart?«
    »Ja.«
    »War gar nicht leicht,
     auf die Schnelle einen zu besorgen. Klebt auch nicht gut. Ich schwitze.«
    Dschanow hob irritiert die
     Augenbrauen. »Tut mir leid, ich verstehe nicht.«
    »Ging mir genauso.
     Wochenlang. Scheißgefühl.« Nabel zog die Pistole.
    »Sind Sie verrückt?«
    »Wie man es eben wird,
     mit der Zeit. Wo befindet sich denn Frau Gräfin? Würden Sie so
     lieb sein und ein paar Schritte zurücktreten?«
    »Was haben Sie vor um
     Gottes willen?«
    »Lassen wir Gott mal
     lieber beiseite. Was hab ich denn vor? Ich würde ja gerne mit Ihnen
     frühstücken, dafür ist es leider schon zu spät.«
     Nabel trieb Dschanow vor sich her, ins Schlafzimmer, wo Anita bäuchlings
     auf dem riesigen Bett lag und von alledem nichts mitbekam.       
    »Was haben Sie mir
     vorzuwerfen? Ich habe kooperiert! Wir haben uns gemeldet und ein
     gemeinsames Frühstück angeboten. Ich bin genauso an der Aufklärung
     der Sache interessiert wie Sie!«
    Nabel mußte lachen.
     Prompt stahl sich auch auf Dschanows Lippen ein Lächeln, in Erwartung
     dessen, daß sich der Scherz bald als solcher erweisen würde.
    »In gewisser Weise
     gefallen Sie mir. Ehrlich. Tut leider nichts zur Sache. Heute nacht hab
     ich einen Pizzaboten in den Körnerpark bestellt.«
    »Und?«
    »Mir ist etwas
     klargeworden. Das Leben ist ein Chemielabor.«
    »Verzeihung?«
    »Es ist ein Experiment.
     Vielleicht bin ich zu alt für Experimente. Wird sich herausstellen.«
    Dschanow sah, daß Nabel
     Handschuhe trug, und begriff, daß er es mit einem Geisteskranken zu
     tun hatte.
    »Wir können über
     alles reden, Herr Kommissar!«
    »Na klar. Können
     wir. Aber wer genug Filme gesehen hat, der weiß, daß Reden oft
     ein Fehler ist. Es wird palavert und diskutiert und prompt geht die
     prachtvolle Gelegenheit vorüber. Morgen –«
    Nabel hielt die Pistole an
     Anitas Schläfe und drückte ab. Dank des Schalldämpfers war
     kaum mehr als ein Zischen zu hören, nebst dem fiesen
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