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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert
Autoren: Helmut Krausser
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eine Art Gedenkartikel nachgereicht, in dem er als dümmlich-brutal
     und ihr sexuell hörig, sie dagegen als moderne Lady Macbeth verkauft
     wurde. Aus rasender Eifersucht habe sie das letzte Opfer, die naive
     Maschka, Tschutschelows Gespielin, beseitigen lassen, finaler Baustein in
     einem minutiös ausgeführten blutrünstigen Feldzug.
    Murat Kursun schob inzwischen
     unter einem neuem Namen Schreibtischdienst in Süddeutschland und
     hoffte, binnen eines Jahres nach Berlin zurückkehren zu dürfen.       
    Kistners Treiben wurde von
     Pfeifer im Prozeß zwar kurz angedeutet, aber nicht ernsthaft
     thematisiert. Auf die Frage des Richters, ob Kistner investigative Gründe
     gehabt haben könnte, kleinere Mengen Koks zu verteilen, antwortete
     Pfeifer, ja, das sei möglich. Damit schienen alle zufrieden.
    Die Liste von Kistners
     Konsumenten wurde in den Giftschrank gesperrt. Seidel zeigte sich an einer
     Veröffentlichung nicht interessiert. Später wurde die Liste von
     ihm persönlich vernichtet, er machte nicht mal einen Hehl daraus.
     Nackte Namen seien kein Beweis, auch könne die Polizei nicht daran
     interessiert sein, das Koksproblem zu banalisieren, indem sie aufzeige,
     wer alles eines habe.
    Lidia Rauch bekam ihre eigene
     Mordkommission, wurde, als zweite Frau überhaupt, Leiterin einer MK
     in Berlin und zog ins schicke Süd-Charlottenburg um. Dadurch verloren
     sie und Kai sich aus dem Blick. Sie wären beide frei gewesen, hätten
     füreinander da sein können, doch nüchtern und mit etwas
     Abstand betrachtet, schreckten sie davor zurück. Sie hatten nach der
     Verhaftung Pfeifers kaum noch miteinander geredet, von beruflichen
     Notwendigkeiten abgesehen.
    Beide fühlten, daß
     es einer intimen Aussprache bedurft hätte. Die eine wußte
     nicht, ob sie dabei den Mut haben würde, nach der Wahrheit zu fragen,
     oder wie wichtig ihr diese Wahrheit eigentlich war, der andere wußte
     nicht, ob und wie er gegebenenfalls auf eine solche Frage antworten würde.
    In drei Jahren, wenn alles
     gut lief, konnte sich Nabel für die Nachfolge Seidels bewerben. Dann,
     womöglich, boten sich günstigere Voraussetzungen.
    Im November fand eine
     Putzfrau Polohemd und Handschuhe hinter dem Schuhputzautomaten und gab
     beides in die Altkleidersammlung.
    Ein Nachspiel sonderbarer Art
     besaß die Sache noch.
    Ahmed, der in einem ganz
     anderen Fall ermittelte, wurde eines Abends auf der Straße, genauer
     gesagt in der Sonnenallee, nicht weit weg vom Hermannplatz, von zwei
     Landsleuten in schwarzen Lederjacken angesprochen. Sie drängten ihm
     ein Mäppchen mit Schnappverschluß auf, und einer der beiden
     sagte auf türkisch:
    »Herr Ümal möchte
     sich bei Ihnen und Ihrem Vorgesetzten, Herrn Nabel, bedanken, dafür,
     daß Sie ihn die ganze Zeit über fair behandelt haben. Er weiß
     das zu schätzen und hofft auf eine lange und friedliche Koexistenz.«
     Sie sagten ihren Spruch auf und spazierten, ohne es eilig zu haben, über
     einen Hinterhof davon.
    Ahmed öffnete das Mäppchen,
     neugierig wie ein Kind. Die darin enthaltenen Fotos zeigten die Gräfin
     Schönfels in delikaten Situationen, bis auf die Schnürstiefel
     nackt zwischen anderen entblößten Stützen der
     Gesellschaft. Prominente Nasen gab es zu sehen, die weißes Pulver
     von gräflichen Genitalien schnupften.
    Ach was, dachte Ahmed, ob das
     meinen Chef freuen würde?
    Und er entschied: Ja, das würde
     Kai Freude machen. Bestimmt.

Nachwort
    Vor ein paar Jahren erfüllte
     ich mir zwei Wünsche. Ich hatte schon immer mal einen Kriminalroman
     schreiben, sowie ein Buch unter Pseudonym veröffentlichen wollen.
     Warum nicht beides verbinden? Es lag nahe. Wer mich ein wenig kennt, der
     weiß, daß sich keine zwei meiner Bücher ähneln
     sollen. Einfach wohl deshalb, weil ich mir selbst nicht langweilig werden
     und in die Routine verfallen will, die viele Kollegen befällt, so sie
     erst einmal auf dem Markt durchgesetzt sind und über eine gewisse
     Leserschaft verfügen. Vielen literarischen Autoren wird nachgesagt,
     sie könnten keine Krimis schreiben, das empfand ich als
     Herausforderung. Einen konventionellen Krimi abzusondern, der im Leser
     einfach nur mit erprobten, risikofreien Mitteln und Mustern Spannung
     erzeugt, war mir denn doch zu wenig.
    Thomas Hettche hatte mit Der
     Fall Arbogast den beeindruckenden Beweis erbracht, daß ein
     Kriminalroman inhaltlich wie sprachlich von hohem Niveau sein und nebenbei
     noch eine
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