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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá
Autoren: Ulrike Talbiersky
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E s hatte alles mit dem Anruf aus Caracas begonnen, der unser Haus gegen 23 Uhr am Abend vor den Sommerferien erreichte. Ich hatte die Zähne geputzt und lag bereits im Bett, als das Telefon klingelte. Ein Stockwerk tiefer hörte ich meinen Vater den Hörer abnehmen. Mit gespitzten Ohren lauschte ich in das Dunkel meines Zimmers hinein, um vielleicht hier und da einen Gesprächsfetzen von unten aufzuschnappen. Wer rief uns zu so später Stunde noch an?
    „Despacio, despacio, por favor. No hablo espa ñ ol !“, hörte ich meinen Vater den Anrufer in den wenigen ihm bekannten spanischen Worten beschwichtigen. „Und jetzt noch mal von vorne, bitte – aber ganz langsam!“
    Ich weiß nicht, was mich dazu bewogen hat, denn normalerweise belausche ich die Gespräche meines Vaters nicht, schon gar nicht, wenn sie offensichtlich geschäftlicher Natur sind, doch irgendetwas trieb mich an diesem Abend aus dem Bett und ließ mich auf Zehenspitzen den Hörer des Zweittelefons im oberen Flur abnehmen. Vielleicht war es weibliche Intuition gewesen, vielleicht aber hatte ich auch nur nicht gewagt, dem trügerischen Frieden zu trauen, der mir in den letzten Wochen ein sorgloses Leben vorgegaukelt hatte. Zu lange hatte ich mich auf den morgigen Tag gefreut, an dem unsere Familie seit vielen Jahren endlich wieder einmal in den gemeinsamen Sommerurlaub starten wollte – zu lange auf die weißen Strände und die heiße Sonne Griechenlands! Wie hatte ich den morgigen Tag herbeigesehnt und gehofft und gebangt, dass nur ja nichts dazwischen kommen möge, das dem Traum ein jähes Ende bereiten könnte! Meine Eltern hatten den Urlaub in der Kunst-Akademie eingereicht, in der beide als Dozenten tätig waren, und diesen bewilligt bekommen. Sie hatten mir tausendfach geschworen, dass sie um nichts in der Welt auf unsere Ferien verzichten würden. Nach dem tausend und ersten Schwur hatte ich ihnen geglaubt, und so standen seit heute Mittag die Koffer fix und fertig gepackt in meinem Zimmer. Mit klopfendem Herzen nahm ich behutsam den Hörer ab. Mein Vater schien das leise Klickgeräusch zu überhören. Es durfte jetzt einfach nichts mehr schief gehen. Nicht so kurz vor dem Ziel!
    „Es tut mir sehr leid, dass ich Sie so spät noch störe, Se ñ or Feldmann. Ich bin mir der Zeitverschiebung durchaus bewusst, doch das ganze Museum steht Kopf“, hörte ich den Anrufer auf Deutsch mit leichtem Akzent erklären. Seiner Stimme nach zu urteilen war er vollkommen aufgelöst, und nicht nur das Museum, von dem er sprach, schien Kopf zu stehen. Mein Vater antwortete in dem Tonfall, den er immer benutzte, um Ruhe in eine Angelegenheit zu bringen. „Das kann ich mir denken, Señor de Silva. Aber überstürzen Sie jetzt bitte nichts. Stammen die Hinweise, die Se ñ ora Sanchez bekommen hat, denn ganz sicher aus verlässlichen Quellen?“
    „Si, Se ñ or Feldmann.“
    „Aber wer Ihre Quellen sind, wollen Sie mir nicht verraten?“
    „Nicht am Telefon, Señor. Aber ich versichere Ihnen: Alle Indizien sprechen dafür. Bevor wir damit jedoch an die Öffentlichkeit gehen, muss unser Verdacht hundertprozentig bestätigt sein – wir dürfen uns keine Fehler erlauben. Der gute Ruf des Sofia-Imber-Museums wäre im Nu ruiniert.“
    „Ich verstehe…“, murmelte mein Vater. „Sagen Sie mir, Señor de Silva…“
    „Rico, nennen Sie mich Rico.“
    „In Ordnung, Rico. Aber nun sagen Sie mir, wie kann ich Ihnen helfen?“
    „Nun ja, es heißt, Sie und Señora Feldmann seien die Besten auf Ihrem Gebiet. Nur Sie können uns vollkommene Gewissheit geben, ob unser Matisse nun eine Fälschung ist oder nicht. Bitte reisen Sie unverzüglich nach Venezuela. Wir haben uns erlaubt, Ihnen für ma ñ ana , für morgen, einen frühen Flug zu buchen. Ein Hotelzimmer in Caracas wartet bereits auf Sie und…“
    „Moment, Moment!“, fiel mein Vater dem Mann hastig ins Wort.
    Gott sei Dank , dachte ich, er lässt sich nicht überreden ! Für einen kurzen Moment hatte ich es tatsächlich geglaubt! Lächerlich: die Eltern konnten nicht einfach nach Venezuela fliegen, schon gar nicht ma ñ ana . Außerdem hatten sie bereits Flugtickets, und auf diesen stand ganz gewiss nicht Caracas!
    „Nun mal nicht so hastig, junger Mann“, fuhr mein Vater fort. „Wissen Sie, es kommt mir gerade etwas ungelegen. Ich…“
    „Sie dürfen nicht absagen, Se ñ or Feldmann“, schnitt Rico de Silva ihm das Wort ab. „Bitte… Se ñ ora Sanchez besteht darauf, dass Sie kommen. Ihr Flug
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