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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert
Autoren: Helmut Krausser
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Ära – in seinem Fall die BRD der Fünfziger Jahre
     – glaubhaft und erkenntnisreich darstellen kann. Mir lag an einer
     weniger epischen Gegenwartshandlung, in dessen Mittelpunkt ein Kommissar
     stehen sollte, der im ethischen Grenzbereich anzusiedeln war und als purer
     Sympathieträger vom Leser nicht so einfach durchgewunken werden kann.
     Inzwischen haben etliche hauptberufliche Krimiautoren diesem Typus
     Grauzonen-Mensch so viele Texte gewidmet, daß er beinahe schon zum
     Stereotyp geworden ist. Dennoch bin ich im Nachhinein sehr froh, diesen
     Roman geschrieben zu haben. Als Publikation unter dem Pseudonym Titus
     Keller im Eichborn-Verlag war ihm nur wenig Erfolg beschieden. An den
     Kritiken lag es nicht, die waren zumeist positiv. Doch jener Titus Keller
     war nunmal ein Niemand, ein unbeschriebenes Blatt, dessen Buch es wie
     jeder Newcomer auf dem überfüllten Markt schwer hatte. Die Lust,
     unter Pseudonym zu veröffentlichen, entsprach der Lust an einem
     Abenteuer, einer Neuerfindung, einem Neuanfang. Der Sehnsucht nach dem Glücksmoment
     vielleicht, als man einmal das erste gedruckte Exemplar des eigenen
     Erstlings in Händen hielt. Leider wußten alle
     Eichborn-Vertreter, wie Titus Keller wirklich hieß, und einer von
     ihnen muß geplaudert haben, denn im Focus stand alsbald zu lesen,
     Titus Keller sei in Wahrheit Helmut Krausser. Was nur beweist, daß
     den Literaturteil des Focus kaum jemand wirklich liest, denn das Rätselraten
     ging wochenlang weiter. Ich befand mich derweil in einer unangenehmen
     Situation. Wenn mich jemand auf Titus Keller ansprach, mußte ich, um
     die Form zu wahren, leugnen, etwas mit ihm zu tun zu haben. Als würde
     ich mich für etwas schämen müssen. Oder als hätte ich
     gar ein Kommerzprodukt in die Welt gesetzt, um endlich mal richtig Geld zu
     verdienen. Das hätte ich denn doch ganz anders angefangen. Aus einer
     solchen Angelegenheit stilvoll herauszukommen, war indes nicht schwer. Kai
     Nabel, dem Protagonisten, gönnte ich in Einsamkeit und Sex und
     Mitleid einen Gastauftritt, wodurch ich mich definitiv als Autor von
     Aussortiert outete. Wenn das Buch nun neu erscheint, als Taschenbuch im
     DuMont Buchverlag, unter meinem Namen, riskiere ich, daß ein paar
     meiner Leser ein und denselben Text von mir vielleicht zum zweiten Mal
     erstehen. Für diesen Fall möchte ich mich entschuldigen.
     Ansonsten ist nun alles geregelt.
    Helmut Krausser     
      
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