Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
jetzt Angst um Ihre
     Schwestern. Hab ich recht? Sie säßen in der Karibik und könnten
     nichts tun. Jetzt sind Sie hier und können was tun.« Nabel
     holte tief Luft und freute sich, daß es ihm geglückt war, die
     durchaus logische Argumentation laut zu äußern, ohne daß
     seine Stimme dabei hörbar zitterte. Mit flinken Fingern, aus denen
     jede Müdigkeit gewichen war, füllte er Kaffee in den Filter und
     Wasser in die Maschine.
    »Außerdem –
     interessiert es Sie nicht, wieviel ich bereits weiß? Im Grunde liegt
     doch alles auf der Hand.«
    Pfeifers Schatten schob sich
     langsam über den Küchenboden. Nabel drehte sich nicht um. Es
     waren entscheidende Sekunden. Gleich würde Pfeifer sich oder ihn oder
     beide erschießen. Oder reden. Vielleicht erst reden und dann schießen,
     diese Möglichkeit gab es auch noch.
    Ruslan und Anita hatten die
     Präsidentensuite im Kempinski gemietet, die ihnen gegen vier Uhr
     morgens, ohne daß sie gefeilscht hätten, für die Hälfte
     des üblichen Preises überlassen wurde.
    Anita war sturzbetrunken,
     aber gewillt weiterzufeiern, sie schluckte zwei Pillen, die das innere
     Ruder nicht mehr herumreißen konnten. Bald krächzte sie,
     taumelte, klagte über Kopfschmerzen, erbrach sich, verlangte nach
     Sex, erbrach sich erneut, rutschte aus, lag zwischen Klomuschel und
     Dusche, ihr sei kalt, Ruslan solle sie ins Bett bringen, ob er nicht höre?
     Was für ein Scheißkerl er sei, eine hilflose Frau so auf den
     Kacheln liegenzulassen. Ruslan schloß die Tür zum Bad und trat
     auf den Balkon. Per Handy trafen nach und nach die Glückwünsche
     der verschiedenen Abteilungen ein. Wörtlich genommen, waren es
     Beileidsbekundungen, auf metaphorischer Ebene hingegen Glückwünsche
     und Einverständniserklärungen, die ihn als neuen Paten
     akzeptierten. Er rauchte eine kubanische Zigarre und hob das Glas auf
     Tschutschelow, den Mann, der ihn zu dem gemacht hatte, was er war. Anita
     ekelte ihn an. Bestimmt hatte sie irgendeine Vorsorge getroffen, für
     den Fall, daß ihr etwas zustoßen würde. Das durchtriebene
     Weib. Mit der Zeit würde er dahinterkommen. Und dann –
    »Na gut, ich mach
     einfach mal den Anfang: Sie und ein paar korrupte Chemiker haben
     beschlagnahmtes Koks gereinigt und geklaut. Der Stoff wurde in
     ausrangierten Heizkörpern nach draußen transportiert.«
    »Alle Achtung, Nabel.«
    »Ich nehme an, daß
     die Chemiker unter Druck gesetzt wurden. Stimmts?«
    »Stimmt.«
    »Sie haben
     wahrscheinlich mit irgendeinem Clan zu tun gehabt, waren ein U-Boot und
     haben die Seiten gewechselt.«
    »Okay. Auch das.«
    »Sie haben dem Clan
     einen Großteil des Schnees überlassen und durften den kleineren
     Teil für sich behalten?«
    »Sie sind wirklich fix,
     Nabel.«
    »Dann wollten Sie das
     Koks verticken und stießen auf Kistner. Richtig?«
    »Er war zu Anfang nur
     ein Konsument. Der Zufall wollte, daß König mich beauftragt
     hatte, etlichen Leuten, darunter auch Polizisten, auch Lidia, probehalber
     Stoff anzubieten. So hatte ich praktisch die Carte Blanche in der Tasche.
     Niemand verdächtigte mich. Es war phantastisch.«
    »Aber Sie haben Kistner
     zielgerichtet benutzt.«
    »Hat sich so ergeben.
     Er kannte beinahe jeden in dieser Stadt.«
    »Unter anderem Anita.«
    »Das war nicht meine
     Idee. Er hat mich ihr vorgestellt. Ich wußte nichtmal, wer sie war.
     Kistner hatte die Verbindungen zu Tschutschelow, hat wohl in irgendeiner
     Weise für ihn gearbeitet. Eins kam zum anderen. Kistner organisierte
     Parties, in kleinerem Rahmen und im ganz kleinen Rahmen, lieh sich von
     Tschutschelow Nutten, von mir kam das Koks.«
    »Die Inseln der Glückseligkeit.«
    »Genau.«
    »Moment. Tschutschelow
     hat das geduldet?«
    »Keineswegs. Er wußte
     auch nicht, daß Anita da mitmischte. Er verließ so gut wie nie
     seine Villa und delegierte alles an Dschanow, der für Anita den
     Aufpasser und Chauffeur spielen sollte. Wir mußten Dschanow eben
     einweihen, Anita hat ihn auf unsere Seite gebracht. Mit ihren Mitteln.«
    »Dann hat Kistner
     begonnen, auszuscheren. Wollte von den Konsumenten Informationen
     erpressen, richtig?« Nabel hing sein Handy an die Steckdose.
    »Ich nehme an. Es gab
     dieses Gerücht, daß er heimlich die Orgien filmen ließ.
     Zu diesem Zeitpunkt waren meine fünfzig Kilo schon fast alle. Die
     Parties dagegen erfreuten sich zunehmender Beliebtheit. Es mußte
     neuer Stoff her. Ich kontaktierte Ümal –«
    »Der stand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher