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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen
Autoren: Moritz Matthies
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hängen, indem ich mich von ihnen als lebendes Abhörmikrofon über Constanzes Schreibtisch abseilen lasse. Mittels Stirnbandkamera und Rucksackmikrofon besorge ich so den Beweis dafür, dass Constanze ihren Vater umbringen lassen wollte.
    »Wird sicher lustig«, sagt Pepe mit rauchiger Stimme. Er riecht wie eine Kölner Kneipe am Aschermittwoch.
    Ich weiß nicht, wie lange dreißig Minuten sind, aber genauso viel Zeit haben wir, um durch den Gang TS vier und die Kanalisation zu unserem Einsatzort, der von Sieversdorf’schen Villa, zu gelangen. TS bedeutet: Top Secret. Den Gang dürfen deshalb nur Leute betreten, die von Rufus ausdrücklich dazu ermächtigt worden sind. Also ich, die vier Vogelspinnen, die Clanmitglieder, die den Gang gegraben haben, außerdem Ma und Pa, weil die sowieso alles dürfen. Dann noch Rocky, weil der als Clanchef das gesamte Gehege betreten darf, Roxane, weil sie seine Frau ist, und schließlich Natalie, weil die sonst auf Roxane eifersüchtig wäre. Eigentlich darf also JEDER diesen total geheimen Gang betreten.
    »Kobra zwei, bitte kommen!«, höre ich Rufus via Headset sagen, während ich mit dem Rest des Einsatzteams durch die Kanalisation haste.
    »Hi, Rufus.«
    »Ray, zum letzten Mal: Für die Dauer dieser Mission bin ich Kobra eins.«
    »Rufus, lass den Scheiß. Wer sollte uns denn abhören und unsere wahre Identität ermitteln wollten? Der Verband deutscher Zoodirektoren?«
    Schweigen.
    »Na gut«, erwidert Rufus. »Da ist was dran. Kannst du trotzdem mal das Stirnband mit der MiniCam ein bisschen tieferziehen?«
    Ich tue ihm den Gefallen, obwohl er mich schon mehrfach mit irgendwelchen Checks genervt hat. Mein grauer Overall ist bis obenhin mit technischem Scheiß vollgestopft. Ich komme mir vor wie ein Schweizer Taschenmesser.
    »Stopp, so ist das Bild super!«, tönt es aus der Kommandozentrale.
    »Schön, dass du es dir mit deiner Süßen und was zu Knabbern vorm Computer bequem machen kannst, während ich hier mal wieder meinen Arsch riskiere«, sage ich und höre Natalie kichern.
    »Einer muss den Job ja machen«, erwidert Rufus lapidar. »Sekunde, mal! Ich hab Phil in der Leitung. Konferenzschaltung in drei … zwei … eins … jetzt!«
    »Ray?«
    »Was geht ab, Phil?«
    »Bea hat gerade die Villa betreten.«
    »Passt doch!«, erwidere ich.
    Wir sind nämlich am Ende eines stillgelegten Abflussrohres angelangt. Vor uns ist löchriges Mauerwerk zu erkennen. Es ist das Fundament der Villa von Sieversdorf. Ich zwänge mich durch einen Spalt und gelange in einen Hohlraum. »Rufus? Wo bin ich?«
    »Goldrichtig. Das ist der stillgelegte Versorgungsschacht Z 4 . Das hab ich dir aber …«
    »Rufus!«
    »Schon gut. Pepe und die anderen sollen vorgehen und dich nachholen.«
    Ich gebe Rufus’ Order weiter und werde im nächsten Moment in Spinnenfäden eingewickelt. Dann zischen Pepe und seine Brüder den Schacht hinauf, um mich wenig später mit vereinten Kräften hochzuziehen. Eigentlich ganz angenehm, sanft schaukelnd nach oben zu schweben, wäre da nicht meine leise Sorge, dass die dünnen, fast durchsichtigen Spinnenfäden, an denen ich hänge, jederzeit reißen könnten.
    »Bist du sicher, dass vier Spinnen für den Job ausreichen, Rufus?«
    »Theoretisch ja«, antwortet mein Bruder.
    »Was heißt ›theoretisch‹?«, frage ich alarmiert.
    »Dass wir keine Zeit hatten, es auszuprobieren«, erwidert Rufus. »Aber meinen Berechnungen zufolge …«
    »Verschone mich!«, unterbreche ich ihn.
    Constanzes Arbeitszimmer hat eine beängstigende Deckenhöhe. Ein Kundschafterteam hat in der vergangenen Nacht neben dem Kronleuchter ein kleines Loch in die Holzvertäfelung gebohrt. Durch diese Öffnung werde ich jetzt von Pepe und seinen Brüdern abgeseilt. Im fahlen Licht einer altertümlichen Schreibtischlampe sehe ich die Schemen von Bea und Constanze. Sie sitzen sich an dem wuchtigen Möbel gegenüber. Langsam schwebe ich in Hörweite.
    »Und diese Geschichte soll ich Ihnen glauben?«, fragt Constanze gerade. Sie wirkt heute nicht nur kühl, sondern frostig.
    »Ton ist gut«, höre ich Rufus sagen. »Nimm den Kopf ein bisschen höher, wir haben Bea nicht ganz im Bild.«
    Ich tue ihm den Gefallen. »Cool! Bleib so!«
    »Warum sollte ich das erfunden haben?«, fragt Bea.
    »Vielleicht ist mein Vater längst tot, und Sie versuchen lediglich, Kapital aus der Sache zu schlagen«, erwidert Constanze und lehnt sich in ihrem wuchtigen Ledersessel zurück. »Was beweist mir, dass er noch
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