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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen
Autoren: Moritz Matthies
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lebt?«
    Bea zieht ein Smartphone aus der Tasche, schaltet es ein und schiebt es über den Tisch.
    »Du brauchst dich nicht zu bewegen! Ich kann von hier aus auf das Smartphone zoomen«, sagt Rufus. Ich seufze leise. Manchmal ist mein kleiner Bruder ein sehr großer Angeber.
    Ich kneife die Augen zusammen und versuche zu erkennen, was auf dem Video zu sehen ist. Es ist eine Nahaufnahme des schlafenden Hanno von Sieversdorf. Er atmet ruhig und gleichmäßig.
    »Wie Sie sehen, ist die Aufnahme von heute«, erklärt Bea. »Ihr Vater ist noch schwach, gesundheitlich geht es ihm aber gut.«
    Clevere Idee, das Video, denke ich. Hat sich wahrscheinlich Phil einfallen lassen. Mein Partner ist wirklich mit allen Wassern gewaschen.
    Constanze schiebt das Gerät zurück über den Schreibtisch. »Das könnte auch eine Fälschung sein.«
    Bea steckt das Smartphone wieder ein und erhebt sich. »Entschuldigen Sie, dass ich Ihre Zeit so lange in Anspruch genommen habe. Offenbar kommen wir beide nicht ins Geschäft.«
    Constanze reagiert verdutzt. »Wer sagt das?«
    »Sie glauben mir ja ganz offensichtlich nicht«, erwidert Bea verärgert.
    »Setzen Sie sich bitte wieder!« Constanze sagt es höflich, aber bestimmt.
    Bea zögert kurz, dann setzt sie sich.
    »Sie verstehen doch sicher, dass ich vorsichtig sein muss«, sagt Constanze.
    Bea nickt. »Natürlich. Das bin ich ja auch.«
    »Gut«, erwidert Constanze. »Sie wollen also Geld von mir, weil ich sonst meinen Vater nicht lebend wiedersehen werde?«
    Bea schüttelt lächelnd den Kopf. »Nein. Ich will Geld von Ihnen, weil ich dafür sorgen kann, dass Sie Ihren Vater
nicht
lebend wiedersehen werden.«
    Constanze entgleiten für einen kurzen Moment die Gesichtszüge.
    »Ich habe Sie und Atze gesehen«, fährt Bea fort. »Ich weiß, dass Sie ihm den Auftrag gegeben haben, Ihren Vater zu ermorden. Atze hat mir alles haarklein erzählt. Leider ist die Sache anders gelaufen. Jetzt ist Atze tot und Ihr Vater schwer verletzt. Und nur wir beide wissen davon.«
    Constanze sitzt da wie vom Donner gerührt. In ihr arbeitet es. »Und wie genau sähe Ihr Angebot aus?«
    »Ihr Vater könnte einen Herzinfarkt erleiden, verursacht durch ein Medikament, dass man bei einer Autopsie nicht nachweisen kann.« Bea lehnt sich ein wenig zurück, um entspannt zu wirken. In Wirklichkeit hat sie große Angst. Das sieht man ihr zwar nicht an, aber ein Erdmännchen kann so was noch aus ein paar Metern Entfernung riechen.
    »Warum gehen Sie nicht einfach zur Polizei?«, fragt Constanze. »Es ist eine Belohnung ausgesetzt.«
    Bea nickt. »Fünfzigtausend Euro. Ich habe mich gefragt, ob Sie mir nicht ein bisschen mehr zahlen würden.«
    Stille. Constanze betrachtet Bea und scheint zu überlegen, was sie nun tun soll. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Mit einem kaum vernehmbaren »Pfffssss« reißt einer der Spinnenfäden, die mich in der Luft halten. Ich kippe nach vorn und spüre, dass sich die anderen Fäden bis zum Zerreißen spannen.
    »Arriba! Arriba! Ándale!«, höre ich Pepe zischen. Ein paar Atemzüge später taucht vor meinem Gesicht das Ende eines neuen Spinnenfadens auf. Ich greife danach, bekomme ihn aber nicht gleich zu fassen.
    »Halt still, Ray!«, sagt Rufus. »Das ist der entscheidende Moment.«
    Als wüsste ich das nicht selbst. Soll ich im entscheidenden Moment aus schwindelerregender Höhe auf die Schreibtischplatte knallen, oder was?
    Es gelingt mir, den Spinnenfaden zu ergreifen und ihn einmal um meine Vorderklaue zu wickeln. Wieder halbwegs gesichert, versuche ich, in meine vorherige Position zurückzupendeln.
    Constanze erhebt sich, geht zu einem wuchtigen Schrank und öffnet ihn. Hinter der Tür kommt ein Safe zum Vorschein.
    »Einhunderttausend Euro«, sagt Constanze, während sie den Safe öffnet. »Das ist alles, was ich im Haus habe.«
    »Das reicht auf jeden Fall für eine Anzahlung«, erwidert Bea und streckt sich. Ihre Nerven sind gerade genauso dünn wie die Spinnenfäden, an denen ich hänge. »Die restlichen Neunhunderttausend überweisen Sie auf ein Konto in Uruguay. Sobald ich das Geld habe, sage ich Ihnen, wo Sie die Leiche Ihres Vaters finden. Andernfalls erhält die Polizei einen ausführlichen Bericht. Zusammen mit meiner Aussage.«
    »Eine Million?« Constanze wirkt verärgert. »Sie wollen eine Million Euro? Ihr Lebensgefährte hat sich mit Fünfzigtausend begnügt.«
    »Wie viel werden Sie erben? Hundert Millionen? Oder mehr?« Beas Stimme hat nun einen
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