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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen
Autoren: Moritz Matthies
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vertraut. Ich hebe den Blick und schaue ihr geradewegs in die Augen. Für einen kurzen Moment gibt es im gesamten Universum nur sie und mich.
    Das Kreischen eines Türriegels, der mit Wucht zurückgeschoben wird, schießt mich in die Realität zurück. Elsa bekommt Frühstück, und zwar jetzt. Für einen Abschied bleibt keine Zeit. Ich ducke mich schnell weg, springe ins Gebüsch und husche von dort aus über einen Seitenweg davon.
    Schnaufend lasse ich mich schließlich auf eine der vielen Rasenflächen sinken und strecke alle viere von mir. Das Gras ist noch feucht. Über mir spannt sich der unendliche Himmel. Wird ein schöner Tag, denke ich, da dringt von Ferne und wie aus einer anderen Welt eine Melodie an mein Ohr.
    »Summmmmertiiiiiiiiiiiiiiiime
    And the livin’ is eeeeeeeeasyyyyyy.«
    Meine Augen weiten sich so sehr, dass ich aussehe wie ein verstörter Katzenmaki. Das ist Elsas Stimme! Und dieses Lied kenne ich. Ihre Schwester hat es auf Hollys Party gesungen.
    »Fish are juuuuumpinnnnnnn’
    And the cotton is hiiiiiiiiiigh.«
    Elsa singt für mich. Ich kann es nicht fassen.
    »Your daddy’s riiiiiiiiiiiiiiich,
    And your mamma’s good lookiiiiiiin’.«
    Ich schließe die Augen und spüre, dass ich ein breites Grinsen im Gesicht habe.
    »So hush little babyyyyyyy
    Don’t you cryyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyy.«
    Der letzte Ton hallt nach. Dann ist es still. Für einen Moment scheint die Welt den Atem anzuhalten. Ich öffne die Augen und schaue in das makellose Blau des Himmels. Ich lächle immer noch.
    Phils Gesicht schiebt sich ins Bild. »Hier bist du also.«
    Ich springe auf. »Phil! Hast du jetzt ne Jahreskarte?«
    Er lächelt. »Ich hab mir den Osteingang schon mal vor den offiziellen Besuchszeiten aufgeschlossen.«
    »Cool. Freut mich. Was hast du auf dem Herzen?«
    »Wollen wir ein Stück gehen?«
    Ich nicke. Habe ich schon oft bei den Menschen beobachtet. Wenn sie was Wichtiges zu besprechen haben, dann gehen sie ein Stück.
    »Also, was ist los?«, frage ich betont beiläufig. Die Wahrheit ist, ich platze gleich vor Neugier.
    »Ich hab mich gefragt, ob du und ein paar deiner Jungs mir helfen könntet, den Citroën wieder fitzumachen.«
    Ich freue mich einerseits, dass Phil mich um Hilfe bittet, andererseits bin ich ein bisschen enttäuscht, dass es dabei nicht um einen neuen Fall geht. »Klar, kein Problem. Was sollen wir denn tun?«
    »Also, da müssen eine Menge Kabel durch die Karosserie gezogen werden. Das kostet normalerweise viel Zeit. Für ein paar Erdmännchen ist das aber nur ein Klacks.«
    »Okay. Machen wir.«
    »Toll.«
    Schweigen.
    »Und das war’s? Deshalb bist du gekommen?«
    »Ja. Das war’s. Deshalb bin ich gekommen.«
    Wieder schweigen wir.
    »Du bist doch nicht nur wegen des Autos hier, Phil.«
    Er schaut zu mir herab und macht ein erstauntes Gesicht. »Doch. Wieso denn sonst noch?«
    »Du hast einen neuen Fall für uns«, schleudere ich ihm entgegen.
    Phil grinst breit. »Wie kommst du darauf?«
    »Hab ich es doch gewusst!«, rufe ich. »Worum geht es? Um Mord?«
    »Ray, es gibt keinen Fall. Ich bin nur wegen des Autos hier.«
    »Gib mir nur einen kleinen Anhaltspunkt. Hätte ich heute früh in der Zeitung davon erfahren können?«
    »Ray! Es gibt keinen Fall.«
    »Wieder eine Vermisstensache? Geht es um einen Prominenten? Ist der Auftraggeber diesmal ein Mann oder wieder eine Frau?«
    Phil bleibt abrupt stehen und sieht mich eindringlich an. »Ray! Hör jetzt bitte auf! Es gibt keinen neuen Fall! Und damit basta!«
    Ich schweige erschrocken. Phil atmet durch, dann geht er weiter. Geknickt trippele ich ihm hinterher. Da sind wohl gerade die Pferde mit mir durchgegangen. Ärgerlich. Was soll Phil mit einem Partner anfangen, der hysterische Anwandlungen bekommt bei dem Gedanken an einen neuen Job? Da kann er ja gleich mit den Pinguinen zusammen ein Büro aufmachen.
    Oh Gott! Ob ich mich da gerade für eine weitere Zusammenarbeit disqualifiziert habe? Vielleicht sollte ich mich für mein unprofessionelles Verhalten bei Phil entschuldigen. Ich überlege noch, wie ich das anstellen soll, da merke ich, dass Phil erneut stehen geblieben ist. Ich schaue fragend zu ihm hoch und sehe wieder dieses breite Grinsen.
    »Glaubst du wirklich, dass ich mich im Morgengrauen aus dem Bett quäle, nur um dich zu fragen, ob du mir mit dem Wagen hilfst?«
    Ich starre ihn an.
    Sein Grinsen scheint jetzt bis hinter beide Ohren zu reichen. »Was ist? Bist du dabei, Partner?«
    Ich spüre mein Herz
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