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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen
Autoren: Moritz Matthies
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Giacomo«, erwidere ich. »Ich wollte sowieso nicht so bald wieder in die Stadt.«
    »Verstehe«, sagt sie gedehnt. »Klar. Kein Problem.«
    Ich nicke höflich und will mich abwenden.
    »Es gibt keinen Giacomo mehr«, fährt sie fort. »Oder wer auch immer dieser Mistkerl war.«
    Ich stehe da wie vom Donner gerührt. »Was ist passiert?«, frage ich, obwohl ich es mir eigentlich denken kann.
    »Giacomo hat mich nach Strich und Faden belogen. Und ich dumme Kuh bin auf ihn reingefallen. Das ist passiert.« Sie lächelt bitter.
    »Und wo ist er jetzt?«
    Ihre hübschen, kleinen Schultern zucken. »Angeblich lebt er mit irgendeiner Schlampe im Tierpark Chemnitz. Aber wenn die Gerüchte stimmen, dann hat er sowieso Affären in jedem zweiten Zoo von hier bis Palermo.«
    Steht ihr gut, diese Verletzlichkeit. Das macht sie irgendwie … noch attraktiver. Ich will gerade darüber nachdenken, ob ich unter diesen Umständen in Erwägung ziehen sollte, Elsas Wunsch zu erfüllen, als Phils Stimme an mein Ohr dringt: »Wo steckst du denn nur? Verdammt! Ray!«
    »Wir reden ein anderes Mal. Ich muss los«, sage ich und bin schon auf dem Weg zu meinem Partner.
    »Bitte, Ray! Überleg es dir!«, ruft Elsa mir nach.
    Einen kurzen Sprint später knalle ich um ein Haar gegen Phils Schienbein. »Was ist denn passiert?«
    »Ich soll dir sagen, wir haben einen Sechs-fünf!«, sagt Phil. »Was zur Hölle ist ein Sechs-fünf?«
    »Schwere Verletzung eines Clanmitglieds«, erwidere ich außer Atem. »Wen hat es denn erwischt?«
    »Rufus.« Phil wirkt besorgt. »Ich weiß aber auch nichts Genaues.«
    Ich finde Rufus in der Kommandozentrale. Er sitzt in einem Biedermeiersesselchen, das früher wahrscheinlich mal in einer Puppenstube stand. Seine rechte Vorderklaue ist verbunden. Natalie streichelt seinen Kopf und versorgt ihn mit Lebendfutter, damit unser Superhirn bei Kräften bleibt.
    »Ich glaub es nicht!«, japse ich. »Du bist bei Bewusstsein? Das ist kein Sechs-fünf, wenn man noch stehen kann.«
    »Kann ich aber nicht«, erwidert Rufus ungerührt. »Ich bin umgeknickt und darf den Vorderlauf mehrere Tage nicht belasten.«
    »Und ich kümmere mich solange um ihn«, piepst Natalie, als müsste sie das unbedingt noch zu Protokoll geben.
    »Und was ist mit dem Einsatz heute Nachmittag?«
    Rufus winkt mit seiner gesunden Pfote ab. »Du musst die Sache eben jetzt allein durchziehen.«
    »Ich denke, man braucht mindestens zwei von uns, um das ganze technische Zeug zu bedienen.«
    »Das ist richtig«, erwidert Rufus. »Wobei ich mir schon gestern überlegt habe, dass es auch anders gehen könnte.«
    »Und warum hast du diesen Plan dann nicht verfolgt?«
    Rufus sieht mich an und schweigt.
    »Verstehe«, sage ich. »Für einen allein ist die Sache also noch schwieriger und riskanter, als sie es ohnehin schon für zwei ist.«
    Rufus nickt. »Außerdem sind Vogelspinnen ja nicht jedermanns Sache.«
    »Vogelspinnen«, wiederhole ich tonlos.
    »Vogelspinnen«, bestätigt Rufus, lässt sich von Natalie noch einen Tausendfüßler in den Mund schieben und kaut ein paar Mal. »Hast du
Mission Impossible
gesehen? So ähnlich werden wir es auch machen.«
    »Und was heißt das?«
    »Mission Impossible?«, fragt Rufus. »Unmöglicher Auftrag.«
    »Moment mal. Dein Plan basiert auf einem Film mit dem Titel ›Unmöglicher Auftrag‹? Und es kommen Vogelspinnen drin vor? Das klingt nicht sehr vertrauenerweckend, Rufus.«
    »Setz dich und nimm dir ’n Tausendfüßler«, sagt mein Bruder. »Dann erklär ich dir in aller Ruhe, wie wir es machen.«
    »Pepe und seine Brüder sind da«, ruft Kim aus dem Vorraum.
    »Immer rein in die gute Stube!«, erwidert Rufus. »Dann muss ich nicht alles zweimal erklären.«
    Pepe und seine Brüder sind vier kolumbianische Vogelspinnen, die bei einer Razzia unterm Bett eines Kokaindealers gefunden wurden. Auf diese Weise sind sie im Zoo gelandet. Hier haben sich die Brüder einen Namen gemacht, weil sie für eine halbe Flasche Tequila jeden Job annehmen, und sei er noch so mies. Ich kenne die vier ganz gut, weil ich mal in einem Streit zwischen den Vogelspinnen und den Zwergmangusten vermittelt habe. Seitdem grüßt Pepe mich, sofern er zufällig mal nüchtern genug ist, um mich zu erkennen. Wie die anderen heißen, weiß übrigens niemand. Man redet immer nur mit Pepe. Und der spricht wiederum grundsätzlich für alle.
    Rufus’ Plan ist simpel. Ich soll mein Leben an die pelzigen Tentakel von vier kolumbianischen Trunkenbolden
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