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0424 - Der Drachen-Clan

0424 - Der Drachen-Clan

Titel: 0424 - Der Drachen-Clan
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Aus sicherer Höhe beobachtete ein Mann die Zeremonie. Schon vor Stunden war er die Felswand über der Ebene hinauf geklettert. Da war es noch dunkel gewesen. Auf der Ebene hatte es keine Spur von dem doppelt mannsgroßen Standbild auf seinem steinernen Sockel gegeben, aber Luigi Toco, 28 Jahre und Reporter einer renommierten italienischen Zeitung, hatte auch keine im Gras hinterlassen. Das hatte sich im Morgentau längst wieder aufgerichtet.
    Krasser konnte der Gegensatz zwischen Ebene und Bergland kaum sein als an dieser Stelle, wo die Felsen sich fast senkrecht erhoben. Toco hatte Mühe gehabt, eine Aufstiegsmöglichkeit zu finden. Aber jetzt kauerte er hinter einer Steinbrüstung, die wie ein Geländer eine Art Logenbalkon absicherte, von wo aus er einen prachtvollen Ausblick auf den Ort des Geschehens hatte.
    Mit der Morgendämmerung war die Statue gekommen. Es war, als sei sie aus einer anderen Welt aufgetaucht. Zwischen Nebelschleiern hatte sie Form angenommen und schien jetzt stabil zu sein wie Stein.
    Luigi Toco sah eine Gruppe von Chinesen, die sich um die mit einem schwarz-roten Mönchsgewand bekleidete Statue versammelt hatten. Er wurde Zeuge des seltsamen Sprechgesangs. Er sah auch die Skelette, deren Reste rings um die Statue und die singenden Chinesen verteilt lagen und ein deutliches Anzeichen dafür waren, daß man ihn nicht umsonst nach Hongkong geschickt hatte.
    Seine Zeitung hatte ihn auf die Bruderschaft des Allessehenden Drachen angesetzt. Die sollte ihrem Götzen Menschenopfer darbringen, hieß es. Aber noch heißer war die Story, weil nicht nur Mitglieder der Triade 14 K, des drittgrößten verbrecherischen Geheimbundes Hongkongs, sondern auch hochangesehene Geschäftsleute der Bruderschaft angehören sollten. Wenn es gelang, nicht nur ihr gemeinsames Zusammenwirken, sondern auch ihre Mittäterschaft bei den Ritualmorden nachzuweisen, waren diese sauberen Herrschaften erledigt, und ein paar Millionengeschäfte platzten wie Seifenblasen. Dafür wollte Rinaldini, Chefredakteur der Zeitung und bis auf die Namensgleichheit nicht mit dem berüchtigten Räuberhauptmann verwandt, sorgen.
    Luigi Toco, der Mann für Risiko-Jobs, sollte die Beweisfotos bringen. Deshalb kauerte er jetzt oben in den Felsen hinter der steinernen Brüstung, um mit Super-Tele Fotos von der Zeremonie zu schießen, die kurz nach Sonnenaufgang stattfand.
    Selbst Mitglied der Bruderschaft zu werden, war für ihn unmöglich, weil er nicht einmal entfernt wie ein Chinese aussah. Aber es war ihm gelungen, Informanten aufzuspüren und deren Wissen für viel Geld anzuzapfen.
    Wie die Statue hier aus dem Nichts erscheinen konnte, war ihm ein Rätsel. Vor drei Tagen war er mit einem Hubschrauber über das Gelände geflogen und hatte sich alles genau angesehen. Es gab nichts, was darauf hindeutete, daß hier mit technischen Tricks gearbeitet wurde.
    Auch von den Skelett-Resten war nichts zu sehen gewesen. Auch in der Nacht noch nicht, als Toco, mit einem Nachtsichtgerät ausgerüstet, seine riskante Kletterpartie begonnen hatte. Aber nun lagen sie mehr oder weniger kunstvoll drapiert um die Statue herum. Rippenbögen, Schenkelknochen, Schädel… und alles säuberlich abgenagt, als wäre ein Schwarm Termiten darüber hergefallen.
    Sein Tele-Objektiv zeigte es ihm deutlich.
    Es zeigte ihm auch das Gesicht des Vorsängers, der so etwas wie ein Oberpriester der Bruderschaft des Allessehenden Drachen sein mußte. Aber viel anfangen konnte Toco damit auch nicht. Für ihn sah ein Chinese aus wie der andere.
    Das Gesicht der Statue, die einen tanzenden Mann darstellte, konnte er dagegen nicht erkennen, weil es zur anderen Seite gerichtet war, gen Kowloon, Festlands-Stadtteil der britischen Kronkolonie. Hinter der schmalen Wasserstraße war dann Hongkong, die Insel mit der zweiten Stadthälfte Victoria. Hier, wo die Zeremonie stattfand, begannen die New Territories, zwischen Stadt und Grenze zu China. Der Berg ragte hoch über der Stadt auf, aber nur an dieser Stelle bestand er aus einer steilen Felsmauer anstatt grünen Bergwiesen, die von Bäumen und Sträuchern bewachsen waren.
    Warum Chinesen, die einen »Allessehenden Drachen« anbeteten, dabei die Statue eines tanzenden Menschen zum Mittelpunkt ihres Rituals gemacht hatten, war Toco unklar. Er hoffte, bald mehr darüber zu erfahren. Aber jetzt mußte er erst einmal das Ritual verfolgen.
    Er schoß seine ersten Fotos.
    Der hochempfindliche Film, der in seiner Kamera steckte, wurde auch mit
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