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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Autoren: Guenther Bentele
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und ganz unüberwindlichen Hindernis seiner Liebe! Er schlief schlecht. Er schien krank, und immer wieder mitten im Gespräch atmete er tief ein und seufzte dann herzzerbrechend.
    Der Kaiser hatte ihn schon mehrmals prüfend von der Seite angesehen.
    Der Geliebten ging es ganz ähnlich. Doch ihre Seufzer waren nicht so gefährlich, sie fielen nicht so auf. Und sie seufzte nicht in Gegenwart des Kaisers, und wenn ihr doch ein Seufzer unterlief, so hieß es immer: Frauensachen.
     
    Es war im Winter, im Februar, ein harter Winter, in dem die Palast-bewohner eng zusammenrückten, weil es nur in wenigen Räumen des Königshofes zu Ingelheim einen Kamin gab. Es war schrecklich kalt. Die wenigen, geradezu höllischen Feuer, welche von den Dienern den ganzen Tag geschürt wurden, strahlten ihre Wärme nicht einmal bis zu den kalten Steinwänden, an denen das Wasser herunterlief. Und von den großen Fenstern, vor denen die hölzernen Läden zugeschoben waren, wehte es eiskalt herein. Stellte ein Diener einen Eimer Wasser in der Nähe eines Fensters ab, war es bald von einer Eisdecke überzogen - und das in einem Raum, in dem mächtige Buchenscheite brannten!
    Hier in Ingelheim beschloss Eginhard zu handeln.
    Handeln, das hieß, er musste mit Imma reden, das Mädchen zur Vernunft bringen. Er musste ihr den Geliebten aus dem Herzen reden - sich selbst!
    Bis zu dieser Zeit hatten die beiden über all die Wochen und Monate insgesamt noch kaum hundert Worte miteinander gewechselt - nur Blicke. Liebe braucht nicht viele Worte. Aber sie braucht andere Dinge, welche die beiden auch nicht hatten: Zum Beispiel, dass man mit dem Geliebten oder der Geliebten allein sein kann, dass man sich kennen lernt, dass man den anderen fühlt -
    Daran war nicht zu denken. Aber zu denken war schon, dass selbst das kürzeste Zusammensein einer Trennung, wie sie der Schreiber vorhatte, auf keinen Fall förderlich sein konnte.
    Das Herz schlug Eginhard nämlich sehr, wenn er sich vorstellte, mit dem schönen Kind allein zu sein. Und in solchen Augenblicken fiel ihm kein einziger Grund zur Trennung ein. Allein schon bei dem Gedanken an die schöne Zweisamkeit durchströmte ihn heftiges Glück, eine Zweisamkeit, bei der doch aber die Trennung erfolgen sollte!
    Beklemmung und Glücksschauer jagten über ihn hinweg, als er sich ein Herz fasste und der Tochter des Kaisers nach dem Mittagsmahl entgegentrat, im Gang zu ihrem Gemach.
    »Bleib«, sagte er mit einer Stimme, die so belegt klang, dass sie ihm selbst fremd war, und räusperte sich: »Imma, wir müssen einmal miteinander reden.«
    Sie wurde feuerrot und nickte.
    Schnell sagte er, damit ja kein Missverständnis aufkommen konnte: »Ich meine es ernst.«
    Worauf sie noch röter wurde und den Arm um ihn legte und ihn heftig an sich zog.
    Es blieb jetzt keine Zeit, viel zu erklären. Jeden Augenblick konnte ein Diener dastehen oder einer der Herren oder ein Bruder oder eine der Schwestern Immas oder gar der Kaiser selbst -
    So fragte er nur: »Wann?«, und erschrak, welchen Stoß von Glück diese Frage in ihm auslöste.
    »Komm heute Nacht zu mir, wenn mein Vater schläft«, gab sie zur Antwort, und ihre Augen leuchteten in der Düsternis des Ingelheimer Königshofes wie zwei Kaiserkronen.
    Dann war sie weg.
    Er stand in dem dunklen Gang und wusste nicht, was er denken, fühlen oder sagen sollte. Wie Feuer sich prasselnd und lodernd in ein Büschel Tannenreisig frisst, um dann funkensprühend auf dem Herd zu tanzen, begann Vorfreude in seinem Innern zu leuchten.
    Wenn mein Vater schläft, hatte sie gesagt. Es klang so, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. Nein, es klang so, als hätte sie schon sehr lange darauf gewartet. Wie sollte er denn da vernünftig mit ihr reden?
    Was hatte er sich eigentlich gedacht bei dem Plan? Dass sie zu ihm kommen würde? Unsinn! Dass sie sich irgendwo im Freien zusammen an einen Wiesenrain setzen würden? Blödsinn - dann hätte er im Sommer handeln müssen! Und mit der Tochter des Kaisers an einem Wiesenrain! Schwachsinn.
    Draußen regnete es.
    Der Gedanke, sie in ihrer Kammer aufzusuchen, machte ihn fast krank vor Freude! Aber die Gefahr - mein Gott, die Gefahr!
    Die Zeit war heran, der Weg nicht schwer zu finden. Eginhard stellte sich die Palastanlage vor mit allen Gebäuden: Er musste einfach aus seiner Kammer quer über das Geviert des Hofes gehen zu dem Haus, das der kaiserlichen Verwaltung genau gegenüber-lag. Dort waren zu ebener Erde die Kammern
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