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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Autoren: Guenther Bentele
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verglichen werden kann.
    Wer er wohl ist? Es ist etwas Feierliches um ihn und seine drei Begleiter. Aber ich kann ihn natürlich nicht fragen. - Was geht das dich an!, würde es heißen.
    Außerdem würde ich seine Antwort ja gar nicht verstehen. Seine wenigen Begleiter unterhalten sich ebenfalls in dieser fremden Sprache. Wenn er nun ein großer Herr wäre - ein Fürst oder dergleichen - müsste er sich doch eigentlich selbst beschützen, etwa durch eine starke Leibwache. Hat er aber nicht! König Karl schützt ihn.
    Er ist ein einziges Rätsel.
     
    In Paderborn war ich schon ein paar Mal und kenne den Weg vom Rhein an die Quelle der Pader recht gut, und ich bin ja nicht allein. Wir Wächter sind dreißig Mann, bis an die Zähne bewaffnet, versteht sich! Aber außer mir sind es lauter Franken, und die reden nicht viel mit einem kleinen Sachsen.
    Das bin ich.
    Meinen kleinen Hammer aus Silberblech - ich trage ihn natürlich nicht offen bei mir. Das wäre zu gefährlich. König Karl hat die Zeichen der alten Götter bei Strafe verboten.
    König Karl ist eigentlich nicht mein König: Er ist Franke. Ich bin Sachse. Wir Sachsen hatten nie Könige. Wenn es Krieg gab, wählten die Götter einen Herzog für alle Sachsen. Die Stammesführer warfen Stäbchen, in die verschiedene Namen eingeritzt waren, in einen Kreis. Die Götter entschieden, wer herrschen sollte, wenn wir in den Kampf zogen. Im Frieden brauchten wir keinen Herrscher.
    Mein Volk hat sich diesem König Karl unterworfen. Er hat Schlachten gewonnen - und natürlich ist sein Gott stärker als unsere Götter, das ist klar. Dennoch heißt das keineswegs, dass unsere alten Götter nicht doch noch da sind und wirken - nicht einmal so sehr im Verborgenen: Donar, unser stärkster Gott, der seine Macht im Donner offenbart, er wurde zwar besiegt - seine heilige Eiche in Geismar ist schon vor zwei Menschenaltern gefällt worden -, aber es donnert immer noch, und jeder kann es hören. Und erst neulich habe ich gesehen, wie ein Blitz in eine Linde gefahren ist, dass die Fetzen flogen. Auch die anderen Götter, denen wir von Kindheit an gedient und geopfert haben, leben noch. Klar! Setzen die Hasen nicht Junge im Frühjahr? Werfen die Kühe nicht immer noch und die Pferde und die Schweine und alle anderen Tiere? Blühen nicht die Bäume im Frühjahr und verlieren sie nicht im Herbst ihr Laub und färben es zuvor bunt?
    Wer sagt denn all den Tieren und Pflanzen, was sie tun sollen, wenn nicht die Götter?
    Der neue Gott? Da hätte er viel zu tun! Ich glaube es nicht. Es ist einfach vernünftiger, wenn er die Arbeit verteilt. Und so stelle ich mir vor, dass er die alten Götter weiterhin wirken lässt, dass er aber wichtige Entscheidungen und den Oberbefehl für sich behält.
    So wie König Karl, der jetzt den Oberbefehl über die meisten Stämme auf der Welt besitzt - denn er hat alle besiegt, von den Sachsen im Norden über die Alemannen und die Bayern bis zu den Langobarden, die weit im Mittag, in Italien, wohnen. Widerspenstige Herzöge und Könige hat er gestürzt. Die Gebiete der Sachsen und der anderen Stämme hat er in Gaue eingeteilt und hat Grafen benannt, die tun müssen, was er befiehlt. Und Sendboten berichten ihm von überall. Und wer ihm nicht gepasst hat, den hat er auf einem großen Thing in Verden am Fluss Aller umbringen lassen. Vor siebzehn Jahren sind dort viertausendfünfhundert Männer geköpft worden, wird gesagt. Die Aller soll rot gewesen sein vor Blut.
    Ich glaube es aber nicht: Viertausendfünfhundert Männer wehren sich doch, denke ich.
    Unsere Anführer übertreiben solche Zahlen, damit wir Sachsen noch mehr Hass auf die Franken bekommen und auf den König; damit sie neue Aufstände anzetteln können. Anführer, damit meine ich die Sachsen, die noch nicht begriffen haben, wer der Stärkere ist. Ich habe es längst begriffen: Deshalb diene ich König Karl - es bringt Vorteile, dem Stärksten zu dienen.
    Und die Franken sind nun einmal die Stärksten: Sie haben die Eiche des Gottes Donar gefällt, und er musste es geschehen lassen. Und schon zehn Jahre davor haben sie die Irminsul gestürzt, die hölzerne Weltsäule, die den Himmel stützt, unser wichtigstes Heiligtum. Jeder hielt die Irminsul für den Ort, wo die Götter thronen, aber der Gott der Franken hat diesen Ort ganz einfach beseitigt; er hat gewonnen! Unsere Götter können es nur noch regnen, donnern und blitzen lassen und sonst noch ein paar Dinge in der Natur besorgen.
    Sie können
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