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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Autoren: Guenther Bentele
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sich auf Dauer nicht verbergen und auch Verliebtsein nicht! Wäre also jemand aufmerksam gewesen, so hätte er trotz aller Heimlichkeiten sehen können, was für eine errötende Innigkeit da bei Tisch zwischen Töpfen, Tellern und Bechern hin und her wandelte.
    Aber sie war so ungeheuerlich, diese Liebe! Es war eine verbotene Liebe, wie nur je eine Liebe verboten war: Eine Liebe zwischen einer kaiserlichen Prinzessin und einem Schreiber! Auch wenn Eginhard hoch geschätzt war beim Kaiser - es war undenkbar!
    Aber größer war die Anst des Kaisers um seine Töchter - und nun auch noch um die jüngste und schönste, bei deren Anblick dem alten Kaiser das Herz zerfloss!
    Manchmal wurde bei Tisch über die Heirat der Töchter gesprochen, wobei diese rot wurden oder, als sie noch jünger waren, an-fingen zu kichern. Aber später kicherten sie nicht mehr und wurden auch nicht mehr rot. Doch der Kaiser sagte immer, dass noch keine würdigen Freier aufgetaucht seien - keine ebenbürtigen Freier: kaiserliche Prinzen. Und Kaiser Karl hatte dabei ein zufriedenes Gesicht. Denn wo gab es schon kaiserliche Prinzen?
    Wehe, wenn Karl von einer solchen Liebe erfuhr!
    Wenn sie auf Reisen waren von einem Königshof zum anderen, konnte es geschehen, dass sie drei, vier Worte miteinander wechselten - bevor ein Knecht zu Eginhard trat oder ein Bote oder ein großer Herr. Oder bevor eine der Schwestern zu ihnen kam und einen schwer zu deutenden Blick auf sie beide warf.
    Ganz selten schaffte er es, die Hand Immas zu ergreifen, die sie ihm mit schimmernden Augen ließ, und es war für beide, als fließe der große breite Rheinstrom durch ihre Hände. Aber diese Berührungen waren kürzer, als ein Zaunkönig mit dem Schwanz wippt. Auch spürte sie manchmal sein Gewand - oder er den feinen Stoff ihres Oberkleides -, wenn sie sich zufällig nahe kamen.
    Sie lebten von der Erinnerung an solche Augenblicke.
     
    Aber oft überwogen für den Geheimschreiber des Kaisers andere Empfindungen: Du bist wahnwitzig! Ohrfeigen gehören dir. Wohin soll das führen? Du gefährdest dich und sie mit. Eine Unachtsamkeit, und der Kaiser merkt es! Und dann? Was hat Alkuin, dein großer Lehrer, dir beigebracht? Drei Dinge sollen dein Leben bestimmen: der Glaube an Gott und die Achtung vor der Vernunft! Dazu die Treue zum Herrscher! Und nun war Eginhard im Begriff, alle drei Regeln zu missachten.
    Er schwor sich heilige Eide, ab jetzt der Kaisertochter nur noch ehrfurchtsvoll und höflich zu begegnen. Aber dann sah sie ihn an und er sie -
    Man müsste mit Imma einmal vernünftig reden, dachte er, und nahm sich fest vor, das auch zu tun. Aber wann? Er war ja nie allein mit der Kaisertochter.
    Ich habe ja auch ihr gegenüber Verantwortung, sagte er zu sich. Verantwortung gegenüber meinem Leben und ihrem Leben. Er sagte es sehr vernünftig.
    Ich bin älter als sie und reifer, hob er dann hervor und hörte sich reden, als spräche er in der Fürstenversammlung. Und sie ist ja nur eine Frau, also viel schwächer als ich. Ich muss der Stärkere sein! Keine Frage. Ich darf nicht zulassen, dass sie irgendeine Dummheit begeht, die alles offenbart. Ich darf auf keinen Fall dulden, dass sie in ihr Unglück rennt!
    Karl ist streng, wer weiß das nicht? Sehr streng! Bisher hatten wir großes Glück, dass er nichts bemerkt hat. Aber wie lange noch? Erfährt er es, sperrt er sie in ein Kloster - und was geschieht mit mir? Nicht auszudenken!
    Aber wenn Eginhard die Kaisertochter sah, waren alle Vorsätze wie weggeblasen. Er sah nur noch sie. Er fühlte sich stark, als könne er sie beschützen. Doch ein wirklicher Schutz wäre nur gewesen, wenn sie sich nicht mehr gesehen und es keine verliebten Blicke mehr gegeben hätte!
    Er war ein pflichtbewusster Mann, als er so sprach! Sie musste beschützt werden. Er musste sie vor sich - also vor ihm selbst - beschützen: Eigenartig, dachte er, ich sollte ihr Schutz sein und bin doch ihre größte Gefahr!
    Ach, wenn man doch diesen Knoten lösen könnte! Einfach mit dem Schwert durchschlagen wie der große Alexander den gordischen!, dachte er. Wie schwer habe ich es dagegen! Aber Alexander war ein König, und wer bin ich? Gerade das war ja das Problem!
    Kein Wunder, dass er durch die weiträumigen Säle und Gänge der Paläste des Kaisers nur noch schlich. Ein Mann, beladen mit Sorgen und Qualen, denn die Entsagung von der Geliebten ist keine kleine Sache. Und täglich musste er dem Kaiser ein freundliches Gesicht zeigen - dem einzigen
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