Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Autoren: Guenther Bentele
Vom Netzwerk:
sein mag. Weit weg!
    Und ich habe den Papst beschützt!
    Leo III. heißt er, wird gesagt.
    Vom Papst ist viel geredet worden bei den fränkischen Kriegern. Manche waren sogar schon in Rom und haben den Papst mit eigenen Augen gesehen. Aber da war es noch ein anderer, der Vorgänger von Leo III., der in der Zwischenzeit gestorben ist.
    Dass der Papst überhaupt sterben kann, der Stellvertreter Gottes!
    Und die Narben?
    Es wird an diesem Abend viel geredet über diese Narben des Papstes. Er hat Feinde in Rom, wird gesagt. Leute, die selbst gerne Papst sein wollten. Sie haben ihn überfallen, und nun sucht er Schutz beim mächtigsten Mann der Welt, bei unserem König!
    Und die Narben?
    Sie wollten Leo III. nur die Augen ausstechen und die Zunge herausschneiden. Umbringen wollten sie ihn nicht: Sie hatten Angst vor Gott! Immerhin: Er ist der Papst!
    Gott aber hat ihm geholfen - die Augen können durch ein Wunder wieder sehen, und die Zunge kann durch ein Wunder wieder reden. So wird gesagt.
    Und die Männer im Wald, deren Hufschlag ich gehört hatte? Ich fasste Mut und redete mit dem Anführer der Wache.
    Er wollte mich erst wegjagen, dann erkannte er mich und schaute mich nachdenklich an: »Ein Glück, dass du das im Wald rechtzeitig bemerkt hast und gleich zu mir gekommen bist«, sagt er und legt seine Hand auf meine Schulter. »Es waren die Halunken, die dem Papst die Augen ausstechen wollten. Sie sind jetzt übrigens hier am Hof und stellen sich dem Gericht des Königs und geben alles zu. Jetzt können sie keinen Schaden mehr anrichten. Hätten sie Leo III. auf dem Weg hierher erwischt - sie hätten ihn gefangen genommen und König Karl dazu gezwungen, einen neuen Papst einzusetzen. Und Karl hätte dann nicht erreicht, dass ihm der Papst verpflichtet ist.«
    »Wird er sie hinrichten lassen?«
    »Nein, dazu sind die Familien in Rom zu mächtig. Der König kann ihre Feindschaft nicht noch weiter herausfordern.«
    »Hat er Angst vor ihnen?«, frage ich ein wenig enttäuscht.
    Er lacht: »Natürlich nicht. Das nennt man Politik, du Dummkopf. «
    »Wenn der Papst dem König verpflichtet ist - was soll er denn für ihn tun?«, frage ich gespannt.
    »Geheim!« Er winkt mir zu verschwinden. Mir, dem Retter des Papstes!
     
    Wir aber haben dann im folgenden Jahr, anno 800, wie sie sagen, König Karl nach Rom begleitet. Eine sehr weite Reise, wunderbar, von der viel zu erzählen wäre. Dort hat sich der Papst bedankt beim König, weil er ihn vor seinen Feinden geschützt hat, und zu Weihnachten, wie sie zum Fest der Wintersonnwende jetzt sagen, ist König Karl vom Papst zum Kaiser gekrönt worden, was auch immer das heißt.
    Dass er Kaiser wird, haben die beiden, der König und der Papst, ja vielleicht in Paderborn ausgemacht, und vielleicht war dies das Geheimnis, das mir der Anführer der Leibwache nicht hatte sagen wollen. Vielleicht hat er aber auch nur angegeben - ein Franke!
    Ich war bei der Krönung mit dabei, und wir haben geschrien und dem Kaiser zugejubelt.
    Schon vorher hat sich der König mit seiner hellen Stimme bedankt, nämlich bei uns, die wir den Papst sicher nach Paderborn gebracht hatten. Er ist dann auf mich ganz allein zugekommen, ich bin schier in den Boden versunken, und hat sich bei mir besonders bedankt. Ich erhielt eine sehr große Belohnung, die meine Erwartungen weit übertraf.
    Was es ist? Das werde ich gerade euch auf die Nase binden! Na ja, könnt ihr euch ja denken: Gold, Pferde, Land, viel Land - reicht das?
    Sicher ist der Papst auf seiner Flucht nach Paderborn von Jesus Christus, dem Herrn der Kirche, beschützt worden. Er ist ja sein Stellvertreter. Dennoch bin ich sicher, dass auch unser alter Gott Donar durch meinen Hammer aus Silberblech im Wald bei Nacht und Regen meine Ohren und mein Hirn aufgesperrt hat und so seine Hand über dem Papst ruhen ließ.
    Das habe ich Kaiser Karl natürlich nicht gesagt. Der hätte mir womöglich die ganze Belohnung wieder weggenommen.

SCHNEEFALL
    Bestimmt gehören Sagen, Legenden und Anekdoten, die sich bisweilen nach dem Leben eines bedeutenden Menschen bilden, nicht zur Geschichtsschreibung - was darin beschrieben wird, ist nicht wirklich passiert.
    Dennoch sollte man sie nicht unterschätzen: Sie haben ihren Ursprung im tatsächlichen Geschehen, und was sie über die Menschen, von denen sie handeln, berichten, hängt zumeist eng mit deren tatsächlich gelebtem Leben zusammen, malt es aus, gibt ihm besondere Färbungen. Freilich, die Entstehung von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher