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Firkin 04 - Hundstage

Firkin 04 - Hundstage

Titel: Firkin 04 - Hundstage
Autoren: Andrew Harman
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»MACHT IHR AUCH GÜRTELTIERE?«
     
     
    In rechtem Licht besehen, war an dem Leguan nichts auszusetzen.
    Er hockte auf der Werkbank und strahlte in seiner eng geschuppten Haut in aufsehenerregend wasserdichtem Schick, musterte selbstgefällig seine makellosen Krallen, rieb sie nacheinander an seiner Brust und polierte sie zu schillernder reptilischer Vollkommenheit. Vor Eitelkeit triefend wanderte ein stolzer Blick über seinen vollkommenen Leib, der an Muskeln haften blieb, die zur höchsten Vollkommenheit schlanker, kaltblütiger Evolution ausgefeilt waren. Kurzum, er war ein ruhmreiches, strahlendes Beispiel unlegierten technischen Echsentums. Allerdings nur für unheilbar Farbenblinde.
    Schnucki, der senfgelbe Leguan, ließ lässig seinen peitschenartigen Schwanz schnacken und rollte sich auf die Seite, um sich mit narzißtischer Inbrunst in einer polierten Messingplatte zu bewundern. Jetzt erst fiel ihm auf, daß nirgendwo sein Lieblingskuschelkissen aus aufgerauhtem karmesinroten Samt zu sehen war. Plötzlich war er verstört und verspürte das Verlangen nach einer Scheibe angedünsteter anunorettischer Todesechse auf einem Bett gewürfelten cranachischen Salats, die seine aufgeriebenen Nerven beruhigt hätten. Er spähte um sich und runzelte mit dem zunehmenden Gefühl ängstlicher Gereiztheit die Stirn. Wo waren denn die ganzen Lakaien? Und was war aus den erhabenen blaßblauen Stuckdekorationen an den Wänden geworden?
    Unter einer gefältelten Stirn und einem ungekämmten Wust drahtiger grauer Haare betrachteten zwei Augen von der Farbe aufgewühlten Schlamms in einer mondhellen Nacht das hochmütige Reptil mit dem Ausdruck zunehmenden Ekels.
    »Eindeutig ein Freßsack«, brummte der düster dreinblickende Alchimist verächtlich. »Und ich wette, Gicht hatte er auch. Gewissen Leuten müßte es einfach verboten sein, Schoßtiere zu halten!« Die Baroneß eingeschlossen, fügte er im stillen hinzu.
    Irgendwo aus der Nähe sickerte ein dumpfes Rumpeln durch die dünnen Wände der Hütte.
    »Es erfordert eine Menge Arbeit, dieses Geschöpf erbärmlich und hungrig aussehen zu lassen. Es wird sie mindestens fünf Kröten kosten … falls ich die richtige Farbe hinkriege.« Während vor lukrativem Entzücken ein Grinsen aufblitzte, riß er einen langen Bambusschraubenzieher aus einem unordentlichen Haufen von Gerätschaften, trat vor und putzte sich die Hände an seinem Umhang ab. »Für einen so umfangreichen Körperumbau sollte ich ihr noch eine Zusatzrechnung aufbrummen!« murmelte er. Der Hüttenboden schüttelte sich seismisch, was dazu führte, daß mehrere große Schachteln und ein halbes Dutzend schwarzer Taschen mit grauenvollem Klatschen aus den wackligen Regalen purzelten. Den Schraubenzieher griffbereit, fluchte der Alchimist wortreich vor sich hin. Dann hustete er, als im Kielwasser eines dröhnenden Vierzigtonner-Fuhrwerks ein Schwall von Staub durch das Fenster zu ihm hereinstob.
    Der Leguan blinzelte hilflos zu der Silhouette hinauf, torkelte durch rote Staubschwaden, rülpste tief, um die Lakaien zu grüßen, und würgte und zuckte, als kein Laut aus seinem Maul drang.
    Der Schraubenzieher fiel in weitem Bogen durch die Strudel der wirbelnden Staubteilchen am Boden, sprang auf die verzierte Holzfußleiste zu und durchbohrte unaufhaltsam die Seite der Kunstechse.
    Genau vor der Hütte kauerte ein drahtiger kleiner Bursche auf den Fersen, rückte das Schultertuch vor dem Gesicht zurecht und wartete, bis der Staub sich legte. Knapp suchte den grob gefurchten Boden von Rittersbrück [1] wie üblich eifrig nach neuen Opfern der Trans-Talpino-Handelsstraße ab.
    Mit einem boshaften Kichern machte er ein schwarzweißes Gürteltier aus, das sich langsam auf der anderen Fahrbahnspur dahinschleppte, und sein Grinsen wurde noch breiter, als er es gleich darauf als weiteren Bewohner des schlecht erzogenen Privatzoos der Baroneß Eglantine erkannte. Das Vieh ist bestimmt ein paar Kröten wert, wenn ich es zurückbringe, dachte er wohlgefällig und durchwühlte seinen Sack nach schmackhaften Leckereien. Was konnte wohl die Aufmerksamkeit eines Gürteltiers erregen? Räucherlachs? Kaviar? Wahrscheinlich beides, wenn das Tier Baroneß Eglantine gehörte. Achselzuckend durchstöberte Knapp die Taschen seines vollgestopften Beutels nach etwas Passendem, traf grinsend seine Wahl und schnippte in einer tadellosen verlockenden Linie drei Maden und einen Blutwurm über die gefurchte Straße. Dann setzte er sich
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