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Im Land der Sehnsucht

Im Land der Sehnsucht

Titel: Im Land der Sehnsucht
Autoren: Margaret Way
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1. KAPITEL
    Sie waren schon fast eine Ewigkeit auf der Landstraße unterwegs – Marissa Devlin, ihr siebenjähriger Halbbruder Riley und dessen tapferer, immer verteidigungsbereiter Hütehund Dusty, ein Queensland Blue Heeler.
    Dusty war der geborene Wachhund, und er konnte sprechen, was Marissa immer wieder veranlasste, ihm ihre Gedanken und Überlegungen mitzuteilen. Es hatte für sie etwas Tröstliches und Beruhigendes, denn sie fürchtete noch immer, mit ihrem Entschluss, die Hauptstadt Brisbane mit dem endlosen Outback zu vertauschen, einen großen Fehler gemacht zu haben. Riley und Dusty wurden nicht von derartigen Zweifeln geplagt. Für sie war alles ein großes Abenteuer. Sie ahnten nicht, was für ein Risiko Marissa einging.
    Früher hatte Dusty die Aufgaben eines Hütehundes erfüllt und auf einer Ranch in Nordqueensland beim Viehtreiben geholfen – ein verantwortungsvoller Job, doch nicht halb so verantwortungsvoll wie der, den er nun ausübte. Jetzt wachte er über seine „Familie“, die aus Riley und Marissa bestand. Alles, was davor lag, hätte Marissa am liebsten vergessen, wenn das möglich gewesen wäre. Leider ließ sich die Vergangenheit nicht einfach auslöschen. Man trug sie ein Leben lang mit sich herum.
    Marissa musste sich zwingen, nur noch an die Zukunft zu denken, besonders jetzt, wo es das nächste Straßenschild zu lesen galt. Es war so verwittert, dass die Buchstaben kaum noch zu entziffern waren und sich zu unaussprechlichen Wortgebilden zusammenfügten.
    Appilayarowie? Balukyambut? Cocatatocallen?
    Alles Namen aus der Sprache der Aborigines, aber warum auch nicht? Schließlich befand sie sich im Landesinnern, im „Dreamtime country“. Auf Ortsangaben verließ man sich hier besser nicht. Genauso gut hätte man Riley die Augen verbinden und ihn auffordern können, in irgendeine Himmelsrichtung zu zeigen.
    Rechts von der Straße tauchte ein Wäldchen mit Geistereukalypten auf, genau der richtige Ort für eine Pause. Marissa saß schon so lange am Steuer, dass ihr die Hände vom Lenken wehtaten. Sie bog von der Straße ab und parkte den roten Kombi mit dem schwarzen Panther auf der Außenseite der Tür im Schatten der Bäume. Irgendwo hatte sie gelesen, dass es etwa sechshundert Eukalyptusarten in Australien gab. Sie machten fast den gesamten Baumbestand des Landes aus und erfreuten sich eines weltweiten Rufs.
    Während der Tageshitze wandten sich die schlaffen blaugrauen Blätter von der Sonne ab. Sie gaben dadurch weniger Schatten, verströmten aber weiter ihren würzigen Duft. Er war Marissa vertraut und wirkte beruhigend auf sie, genauso wie der des landestypischen Boroniaöls, von dem sie abends immer einige Tropfen auf ihr Kopfkissen träufelte. Die Düfte der Natur hatten sie schon immer fasziniert, mochten sie nun von Eukalypten, Akazien, Silberbäumen, einheimischen Büschen oder Wildblumen stammen.
    Spaziergänge über die sanft geschwungenen Hügel außerhalb von Brisbane waren schon immer Marissas heimliche Leidenschaft gewesen. Im Frühling, wenn die weißen und gelben Blütendolden der Akazien ihren süßen Wohlgeruch verströmten, fand sie es dort besonders schön. Leider bekam ihre Cousine Lucy davon Heuschnupfen, ein willkommener Vorwand, um Marissa nicht auf ihren kleinen Wanderungen begleiten zu müssen.
    Inzwischen lag Brisbane weit hinter ihr, irgendwo im Osten, wo sie einmal gelebt hatte. Hier, im Südwesten von Queensland, dem wahren Outback, tat sich eine neue Welt auf. Man hätte sich auf den fernen Planeten Pluto versetzt fühlen können. Akazien fand man in dieser Gegend nicht mehr. So weit das Auge reichte, bedeckte gelbliches Spinifex-Gras den ausgedörrten Boden. Ein Glück, dass Riley und Dusty bei ihr waren. Im „Never Never“, wie das Outback auch genannt wurde, sollte es Geister geben, die einem Fremden nicht unbedingt wohlgesinnt waren. Sie beobachteten jeden Eindringling mit feindseligen Blicken und jagten ihm dadurch eine unbestimmte Angst ein.
    Als geborene Städterin war Marissa für die geheimnisvollen Stimmungen dieses öden, trockenen Hinterlandes besonders empfänglich. Sie sog sie mit jedem Atemzug ein und ahnte, dass diese innere Unruhe noch zunehmen würde, je mehr sie sich dem „Roten Herzen“ des Kontinents näherten. Mit jedem Tag drangen sie tiefer in das Channel Country ein, das Land der Rinderbarone, das bis an die Grenzen der Simpson Desert reichte.
    Marissa hatte die Absicht, auf einer der größeren Rinderfarmen als Erzieherin
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