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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Autoren: Guenther Bentele
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keine Toten auferwecken, sie können nicht machen, dass Blinde sehen oder Lahme gehen, sie können kein Wasser in Wein verwandeln. Das alles aber kann der neue Gott, sagen die Priester, und deshalb ist er der Stärkere, und unsere Götter müssen tun, was er will.
    Man muss wissen, wann man verloren hat!
    Dabei stand alles auf des Messers Schneide. Wir Sachsen waren drauf und dran, den Sieg zu erringen, hatten sogar schon den Rhein erreicht und holten mit aller Kraft aus, diesen König Karl zu stürzen, und unser Herzog Widukind hatte schon nach der Krone König Karls gegriffen. Da wurde er besiegt und abgesetzt; und er hat sich taufen lassen und sich dem neuen Gott unterworfen, obwohl er von dem alten Gott abstammt. Daraus sieht jeder, wie klug unser Herzog Widukind ist. Karl hat ihn deshalb auch nicht ganz gestürzt, sondern ihm ein wenig Macht gelassen - wenig, damit er Karl nicht schaden kann, aber doch so viel Macht, dass er noch Würde besitzt. Jetzt hängt Widukind dem neuen Gott der Franken an, diesem Jesus Christus. Dabei stammt er selbst von Wotan ab: Widukind - Sohn des Wotan!
    Wie mit der Macht des Herzogs Widukind ist es auch mit unseren alten Göttern, denke ich. Deshalb würde ich nie etwas ohne meinen kleinen Hammer tun.
    Doch der fränkische König ist streng. Und wer dabei erwischt wird, wie er zu den alten Göttern betet oder ihnen opfert oder ein Bild von ihnen bei sich trägt, den trifft sein Zorn mit voller Wucht. Ganze Landstriche hat König Karl entvölkert. Denn wer weiter dem alten Glauben anhing, hat er in den Süden umgesiedelt, wo es nur Christen gibt - also Franken - und niemand einen Aufstand plant.
    Aber er ist auch darin stark, dass er nämlich einen Sachsen wie mich, obwohl aus einem feindlichen Stamm, bei einem so wichtigen Kommando wie diesem Geleit mitmachen lässt. Er will die Stärke der Sachsen für sein Reich dienstbar machen - ganz schön mutig. Und ich diene ihm jetzt schon seit zwei Jahren, nie gab es Anlass für mich, darüber zu klagen. Aber für ihn auch nicht.
    Was die Götter angeht, so besitze ich nun für mich mehrere - einen sehr starken und großen Gott, nämlich Jesus Christus für die großen Dinge; und unsere alten Götter für alle Fälle -
    Vielleicht macht mich König Karl ja eines Tages sogar zu einem Grafen. Aber dazu bin ich jetzt noch viel zu jung. Ich bin bei weitem der Jüngste unter den Wächtern.
    Dennoch hat er ausgerechnet mir befohlen, mit den anderen zusammen diesen Fremden samt seinen Begleitern am Rhein abzuholen und zu seinem Palast in Paderborn zu geleiten. Wir müssen den Fremden heil zu ihm bringen, bei seiner Ungnade!
    Er hat es uns natürlich nicht selbst befohlen, dazu ist er zu erhaben. Er hat es uns durch einen wichtigen Mann an seinem Hofe ausrichten lassen.
    Ich selbst habe den König noch nie aus der Nähe gesehen. Unser Ritt ist seltsam: Wir haben Befehl, unauffällig zu reiten. Aber der Mann ist dem König ja besonderes wichtig - und deshalb müsste er eigentlich mit hohen Ehren, also dem allergrößten Prunk, geleitet werden!
    Doch dies geschieht nicht, und auch daraus schließe ich, dass der Mann immer noch in Gefahr, in sehr großer Gefahr, ja, dass er geradezu in tödlicher Gefahr schwebt!
    Wir müssen ihn beschützen - beim Zorn des Königs! Das heißt aber auch - beim Lohn des Königs, wenn es uns gelingt. Und König Karl ist großzügig. Das weiß jeder.
    Morgen, so hat es geheißen, kommen wir nach Paderborn. Das bedeutet für den Feind die letzte Gelegenheit, um zuzuschlagen, und für uns heißt es doppelte Gefahr!
     
    Es ist ein Abend im Frühsommer und es regnet. Es regnet schon seit Tagen; alles ist nass.
    Eine grobe Pferdedecke habe ich über mich gelegt. Die anderen auch. Sogar der Fremde.
    »He, du könntest vorausreiten zur Herberge und anzeigen, dass wir bald kommen!«
    Natürlich bin ich gemeint, der kleine Sachse. Wenn ich in den Klöstern oder Höfen abends sage, dass wir bald eintreffen, wissen sie immer schon, wer da unterwegs ist und fangen an herumzurennen, als käme König Karl selbst. Alle wissen Bescheid, nur ich nicht, der kleine Sachse! Und wenn ich einen anderen Wächter frage, ernte ich nur stummes Kopfschütteln.
    Ich kenne den Weg ganz gut. Wenn ich aber alleine vorausreite, muss ich dennoch höllisch aufpassen, dass ich mich in den dichten Wäldern nicht verirre. Ich verlasse mich dabei ganz auf meinen Silberhammer. Woher sollte Jesus Christus die Wege hier im Norden kennen?
    Endlich lichtet sich
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