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Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Titel: Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
Autoren: Jacob Wendt Jensen , Deutsch von Janine Strahl-Oesterreich
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Geschichten aus der Märchenstadt
    »Du bekommst drei Kinder. Das dritte hat rote Haare und wird Glanz auf seine Stadt Odense werfen.«
    Die Prophezeiung, die Inger Sprogøe als junges Mädchen hörte, wurde Teil der Familienlegende – und erfüllte sich schließlich. Ove Sprogøe war als Kind tatsächlich rothaarig. Nur das mit Odense war eine Untertreibung. Oves Ruhm sollte über die Grenzen Dänemarks scheinen.
    Merkwürdig nur, dass der Mutter des ebenfalls in Odense geborenen Märchendichters Hans Christian Andersen dasselbe vorausgesagt wurde, als diese hundert Jahre zuvor mit ihrem Sohn bei einer Wahrsagerin war. Aber auch wenn Mutter Inger nur Märchen erzählte, letztlich wurde die Prophezeiung doch wahr.
    Ove kam 1919 als jüngstes von drei Kindern der Familie Sprogøe Petersen zur Welt. Sein Vater Arthur war Buchdrucker und verheiratet mit Inger. Oves Bruder Arthur war zwölf Jahre, die Schwester Inger fünf Jahre älter als Ove. Die Eltern dachten, dass sie Weihnachten 1919 noch zu viert feiern würden. Doch drei Tage vor Heiligabend, am 21. Dezember, wurde der kleine Ove geboren – ein Sonntagskind. Die Familie lebte in einer Wohnung im zweiten Stock in der Östergade 22. Die Straße lag damals am Stadtrand von Odense, heute ist sie mitten im Zentrum. Da die Geschwister schon die Namen der Eltern trugen, wollten sie den Kleinen nun Poul nennen. Als Arthur Sprogøe Petersen jedoch einige Tage später zum Kirchenbüro ging, hatte er eine Eingebung. Warum sollte der Junge nicht Ove heißen wie der Bruder seiner Frau? Inger freute sich, und der Pfarrer trug ins Kirchenbuch Ove Wendelboe Sprogøe Petersen ein.
    Die Wohnung, in der Ove aufwuchs, war nicht sehr groß: Diele, Esszimmer, das sogenannte Herrenzimmer, Schlafzimmer, Küche. Das WC war im Treppenhaus ein paar Stufen tiefer. Die Kinder schliefen im Wohnzimmer: der große Bruder in einem Auszieh-Bett und die Schwester auf dem Sofa. Ove hatte einen heugefüllten Holzkasten am Fußende von Mutters und Vaters Bett. Die Kiste war gut ausgepolstert, er lag nicht hart darin, aber es konnte schon vorkommen, dass Kartoffeln und Milchreis in Oves »Bett« fertiggegart wurden, während er schlief. Es waren beengte Verhältnisse, aber sie schweißten unmerklich zusammen.
    Inger hütete ihre Kinder wie eine Glucke. Sie hatte ein großes Herz, aber auch klare Forderungen. Sie war von den Eltern diejenige, die auf den Tisch haute und sagte: »Wechsle deine Socken« oder »Kämm dein Haar!«
    Das Haus war oft voller Gäste. Auch Landstreicher ließ Inger herein. Davon war Arthur nicht immer begeistert. Aber Inger brachte es nicht übers Herz, sie vor der Tür stehen zu lassen, wollte ihnen jedoch auch nicht Geld geben, das sie nur vertrinken würden. Deshalb gab sie ihnen eine warme Mahlzeit und ein Butterbrot. Manchmal fand Ove das Brot in einem Gebüsch in der Nähe. Das fand er merkwürdig und die Mutter auch, wenn er es ihr zeigte.
    Der Vater ging zur Arbeit, die Mutter kümmerte sich um den Haushalt. Meist hielt Inger sich in der kleinen, nur fünf Quadratmeter großen Küche auf, wo sie gute dänische Hausmannskost mit Unmengen dicker Soße zubereitete, und natürlich den Abendkaffee. Die Mutter war der Mittelpunkt der Familie, sie schuf Geborgenheit. Für Ove und seine Geschwister bedeutete sie die Welt. Einmal in der Woche wurde die Küche zum Badezimmer. Dann kamen Ove und seine große Schwester gemeinsam in einer Zinkwanne. Die Vorfreude auf das allwöchentliche Bad war groß, und im Anschluss gab es duftende Nachtwäsche und frisches Bettzeug. Genauso regelmäßig verwandelte sich die kleine Küche in eine Backstube. Die gesamte Verwandtschaft liebte Gebäck über alles, und so fanden unter den Frauen regelrechte Backwettbewerbe statt. Das ganze Jahr hindurch gab es Weihnachtskuchen, Sandkuchen und Pfefferkuchen. Wollte Oves Mutter ihren Jungen aber so richtig verwöhnen, buk sie »Brunsviger«. Der »Karamell-Kuchen« wurde auf der Insel Fünen erfunden und war Oves absolute Leibspeise.
    Das Herrenzimmer oder die »gute Stube« wurde ausschließlich für die bevorzugte Freizeitbeschäftigung der Familie genutzt: das Kartenspiel. Es standen ein paar Mahagonimöbel mit schwarzem und grauem Plüsch im Zimmer, eine Anrichte, Lampen mit Schirmen aus Tüll und ein eleganter Bücherschrank. Der Vater schätzte Bücher. Beim Kartenspiel schrien und lärmten die Onkel, Tanten, Vetter und Cousinen wie toll. Die Kinder dagegen mussten mucksmäuschenstill sein.
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