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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman
Autoren: C.H.Beck
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kalte Schauer, durch Geist und Wind hervorgerufen, verstärkte sich, und es herrschte ein Friede, wie man ihn empfindet,wenn man unter den Toten wandelt und horcht, so wie es die Toten vielleicht tun, in großer Entfernung von der Welt, ihrer Bewegung und ihrem Lärm.
    Ich ging hinaus, um den kleinen Garten zu erforschen, und fand einen grünen Liegestuhl, von dem ich die zerquetschten reifen Mispeln wischte, die von dem riesigen Mispelbaum gefallen waren und überall herumlagen; und ich legte mich hinein und blickte, halb in der Sonne, halb im Schatten, hinüber zum Zitronenbaum im benachbarten Garten der Villa Florita. Ich schloss die Augen. Die Sonne, rasch wandernd, trat wieder hervor und schien mir brennend heiß ins Gesicht. Ich veränderte meine Liegeposition. Wieder versteckte sich die Sonne hinter einer Wolke, die Luft wurde kühl, der Flachs raschelte, ein sprödes, schnalzendes Geräusch, und die heimlichtuerischen kleinen Vögel begannen wieder mit ihrem Geflüster und Gezwitscher. Ich schlief ein. Und als ich wieder aufwachte, zitterte ich vor Kälte. Die Berge sahen schroff und grau aus im geschwundenen, verbrauchten Tageslicht, das nur in ihren Spalten sanfter wirkte durch das Blau der Ferne und des Abends.
    Das war also das Rose-Hurndell-Zimmer! Ich träumte davon und auch von meinem eigenen Haus in der Bannockburn Road in Blenheim und von den zwei Leben, die ich dort gelebt hatte, und der täglichen Abnutzung durch die Ehe, des einen durch den anderen, so wie das Licht beide Abhänge eines Berges abnutzt; und ich war froh, dass die Farbe der Entfernung allmählich die Sicht meines Lebens in der Bannockburn Road zu berühren begann. Ich träumte von Brians Haus in Baltimore und von dem mit Pflanzen verstellten Fenster an der Vorderseite. Und von meinem Haus in Stratford, abermals in der Nähe der Bahnlinie und des Farndickichts,mit den weiß blühenden, überall wachsenden Heuschnupfenbäumen und der hellgrünen Pinie, die im Vorgarten wuchs, auf mysteriöse Weise von irgendeiner spanischen Insel hierherverpflanzt. Und schließlich dachte ich in jener unruhigen Nacht, in der ich teils wachte, teils schlief, an die Decken.
    Im Unterschied zu den einfachen Holztischen der Literatur, zum Rohrleger und Französischlehrer, zum Schuldeneintreiber, zu den Einwohnern von Blenheim, Baltimore und Berkeley und im Unterschied von mir zur Bauchrednerin Violet Pansy Proudlock oder zur geschwätzigen Alice Thumb, einer Eingeweihten mit begrenzter Vorstellungskraft, waren die Decken echt, mit einer echten Geschichte und der echten Fähigkeit zu wärmen. Ich dachte an die Decken in meinem Haus in Neuseeland, die aus vielen Orten stammten, aus unserem alten Haus im Süden, vom Bett meiner Eltern – grobe Decken, verfilzt vom vielen Waschen und an manchen Stellen fast durchgewetzt, vergilbt von Alter und Sonne und dem Hängen auf der Wäscheleine, Jahr um Jahr, zwischen zwei Apfelbäumen, wo sie von der Wäschestange aus Manuka-Holz gestrafft und in die Arme des Windes gehoben wurden, gleich wieder durchhingen und, vom Gewicht der Nässe beschwert, knapp über dem Erdboden hin und her schaukelten. Ihre Markenbezeichnungen waren in den Ecken angebracht. Einige waren aus England – Wilton, ein Name, der mit der ihm offensichtlich gebührenden Ehrerbietung ausgesprochen wurde; andere hatten Namen, bei denen einen ein Schauer von Heimweh überlief, eine Erinnerung an die Schulzeit, als Orte zu ihren Erzeugnissen wurden – Onehunga, Mosgiel, Kaiapoi: die Orte mit den Spinnereien und folglich mit den Decken. Ich erinnere mich daran, wie meine Mutter auf den Schäfchenwolkenhimmel mit seinen blassblauen Flecken hinausschauteund sagte: «Es ist Deckenwetter.» Das bedeutete, dass sie gewaschen wurden. Das Waschen war ein altes Ritual und ein Risiko. Die Frauenzeitschriften druckten regelmäßig gewichtige lange Artikel mit Überschriften wie «Darf ich meine Wolldecken waschen?» und «Das Risiko beim Waschen von Wolldecken» und manchmal seitenlange «Tipps für das Waschen von Wolldecken.»
    Das Waschen und Trocknen der Decken war Teil der Poesie der Außenwelt und ihrer Witterung.
    «Weiß Linnen bleicht auf grünem Plan –
    Mit Heißa! beim lieblichen Vogelsang!»
    Es schien, als sei von allen Erzeugnissen der Erde die Wolle das wichtigste, insbesondere da unsere frühe Erziehung sich großteils mit Erzeugnissen befasste, womit angedeutet wurde, dass das Leben weniger vom Herzschlag und von der Ein- und Ausfuhr des
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