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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman
Autoren: C.H.Beck
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sah, wie Irving mit dem Rücken zur Eingangstür unverwandten Blicks die Aussicht genoss, die Aussicht von zu Hause.
    Sie hatten wieder Besitz ergriffen.
    «Ich habe es nicht eilig», sagte ich zum Fahrer. «Fahren Sie durch die Shattuck Avenue.»
    Ich dachte an Julian Soule und Theo und Zita. Ich wusste genau, wo Soules Büro war und wo Theo und Zita wohnten, und ich dachte mir, dass der Anblick ihrer Häuser mir beweisen würde, dass ich selbst nicht nur eine literarische Figur war, die Kopie einer Kopie, die von einer Kopie der Träume träumte, dass ich Anteil nahm und mich nicht in einer Welt totaler Vermeidung befand. Ich hätte es wissen sollen. Gewiss, in den Straßen von Berkeley, entlang der Telegraph Avenue, rezitierten junge Dichter ungestüm die geliebten Wörter, aber am Ort von Julian Soules Büro befand sich ein Supermarkt, und dort, wo Theo und Zita gewohnt hatten, war eine Fleischerei.
    Mit einem Gefühl von Angst und Verwirrung nahm ich Flug 28 nach Baltimore.

38
    Um drei Uhr nachmittags kam ich auf dem Friendship Airport an, nahm das Hoteltaxi zum Lord Baltimore Hotel und überredete einen widerstrebenden Taxifahrer, mich von dort über den North-East-Market in Richtung Innenstadt zum Häuserblock in der Monument Street zu bringen, in dem Brian wohnte. Ich hatte einen eigenen Schlüssel und einen Zettel, auf dem ich mir die Zahlenkombination für das Schloss an der Eingangstür aufgeschrieben hatte. Aber ich brauchte die Schlüssel nicht, denn sobald ich die Außentür aufgesperrt hatte, sperrte jemand die Innentür auf, und ich stand Brians Schwester gegenüber, die ich einmal kennengelernt hatte. Sie sah blass und sehr müde aus.
    «Ich habe mir Ihretwegen schon Gedanken gemacht», sagte sie.
    Ich blickte fragend.
    «Ja. Am Tag nachdem Sie zu diesem Haus in Berkeley flogen, schickte ich Ihnen ein Telegramm. Haben Sie es nicht erhalten? Ich dachte, Sie würden sofort kommen, und als Sie dann nicht kamen, dachte ich, dass Sie es nicht wahrhaben wollten, dass Sie es verdrängten.»
    «Was verdrängten?» Ich konnte mich an kein Telegramm von Bedeutung erinnern.
    «Aber ich habe Ihnen doch das Telegramm geschickt!»
    Ich spürte, wie die Angst und der Schrecken wiederkehrten.
    «Das Telegramm wegen Brian. Er hat überhaupt nicht gelitten. Niemand wusste, dass er krank war.»
    «Aber ich war hier», sagte ich langsam, «den Winter und den Frühling über. Mrs Tyndall. Lonnie.»
    «Ich habe Ihnen das Telegramm geschickt», wiederholte Gloria. «Phil und ich sind hiergeblieben, um alles zu regeln.»
    «Aber ich habe angerufen», sagte ich, in einem Versuch, mich an die Tatsachen zu klammern.
    «Wir waren wahrscheinlich nicht zu Hause.»
    «Nicht zu Hause? Wo denn sonst?», fragte ich zornig.
    Der Taxifahrer wartete. Ich bezahlte ihn und gab ihm das Trinkgeld, das er für eine Fahrt in eine als unerwünscht angesehene Gegend erwartete. Ich trug meinen Koffer ins Wohnzimmer und setzte mich in den großen Schaukelstuhl neben dem Baum aus Golddraht. Ich war unfähig, etwas zu sagen oder zu weinen. Brians Konstanz war unerschütterlich gewesen: ein guter Freund durch viele Jahre hindurch, während der verwundbare Rest der Welt an seinen verschiedenen Krankheiten und Unfällen, am Verlust von Gliedern und geistigen Fähigkeiten starb, zum Verräter an der Ganzheit des Lebendigseins wurde. Zum Teil war es Brian selbst, der diese Aura der Konstanz willentlich aufrechterhielt, denn er schloss den Tod einfach nie in seine Pläne ein und überzeugte so auch seine Umgebung davon, ihn auszuschließen; und er war ein so unfehlbarer Planer! Nur ein einziges Mal erwähnte er seinen Tod – als er sagte, er habe seinen Leichnam der medizinischen Forschung vermacht.
    Nachdem sowohl mein Glaube als auch meine Ungläubigkeit während der letzten Tage erschüttert worden waren, rechnete ich fast damit, dass Brian wieder auftauchte, so wie die Garretts, um einmal mehr zu beweisen, dass ein literarischer Bannstrahl, eine Reproduktion dessen, was sein könnte, aber nicht ist, auf den göttlichen Schöpfer der Originale keinenEindruck macht. Ich wusste nicht, wie ich nach meiner Erfahrung mit den Garretts an Brians Tod glauben sollte. Als ich Brian das letzte Mal gesehen hatte, war Mrs Tyndall gerade gestorben; er war von ihrem Totenbett gekommen ohne ein Anzeichen des Todes, nicht einmal ein Tüpfelchen so groß wie der Schimmelschlusspunkt im Ingwerglas.
    «Es war Herzversagen», sagte Gloria unvermittelt. «Eines Morgens.
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