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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman
Autoren: Heyne
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Prolog: Des Teufels Namen
    Elsass im Jahr 1253

    Elinors Atem dampfte, als sie den Namen des Teufels aussprach. Der Frost hielt Burg Hœnkungsberg fest im Griff, seit Wochen schon. Eiskristalle glitzerten auf den Mauern, den Erkern und dem Brunnen. In den Ställen drängten sich die Tiere aneinander, um sich gegenseitig zu wärmen. Jeden Morgen mussten die Mägde das Eis in den Kannen und Waschzubern durchstoßen, das sich während der Nacht gebildet hatte. Von den Türmen aus sah man die schneebedeckte Kammlinie der Vogesen und das Rheintal, in dem der Fluss Eisscholle um Eisscholle aufeinander schob.
    Elinor machte die Kälte nichts aus. Ein inneres Feuer wärmte sie – die Glut von Hass und Zorn. Zorn auf ihre Schwestern vom Odilienberg, die nicht weit von der mächtigen Burg entfernt ihre Feste feierten und die Große Göttin beweihräucherten.
    Sie aber hatten die Sieben verstoßen.
    Flatternd schlossen sich Elinors Augenlider, als sie erneut den Namen des Mächtigsten aller Dämonen flüsterte. In Wellen durchströmte sie die Kraft, dieselbe uralte, magische Energie, die sie schon als junges Mädchen gespürt hatte. Sie hatte ihre Gabe angenommen und war den Weg einer Zauberin gegangen, hatte viele Jahre mit Lernen und Suchen verbracht. Mühevolle, entbehrungsreiche Jahre – umsonst!
    Wie stark sich die Sieben fühlten, beschützt von ihrem Wissen und ihrer angeblichen Weisheit. Sie waren Beraterinnen von Königen und Bischöfen, Seherinnen, Prophetinnen, Heilerinnen und Hebammen. Morrigans Töchter, so nannte sich der Zirkel auf dem Odilienberg.
    Der Zorn in ihr wurde so stark, dass es Elinor den Atem raubte. Sie ging langsamer und nahm sich Zeit, das Pentagramm zu betrachten, auf dessen Linien sie durch den winterlichen Garten schritt. Der Fünfzackstern war in eine große Steinplatte gemeißelt, die Elinor im Oberen Burggarten entdeckt hatte. Sie lächelte. Die Vogesenfestung war bedeutend älter, als ihr Besitzer ahnte. Bereits in grauer Vorzeit hatte der Hœnkungsberg als Kultplatz gedient, ebenso wie einige andere Berggipfel in der Umgebung.
    Aus ihrer Hand rieselte ein graues Pulver und staubte zu Boden. Das Pulver wirkte unscheinbar, aber es war gefährlich in seiner Wirkung. Allmählich sammelte es sich in den Rillen, die den Stern darstellten. Sie hatte das Pentagramm säuberlich von Eis und Schnee befreit und ihr Gärtner haftete mit seiner rechten Hand dafür, dass es so blieb: Weder Herbstlaub noch junges Gras durfte sich in den Rillen ansammeln. Wenn die Mägde das frische Brot aus dem Ofen holten oder das Wasser in der Badestube anheizten, vermieden sie ängstlich, auf den Stern zu treten. Manche vollführten sogar Banngesten und hielten das Gesicht abgewandt.
    Über solche Dummheit konnte Elinor nur den Kopf schütteln. Als Mahnmal der alten Macht – so prangte das Pentagramm im Garten. Man musste jedoch wissen, wie man den Kultplatz benutzte. An gewöhnlichen Tagen und von gewöhnlichen Menschen betreten, bewirkte das Zeichen gar nichts.
    Aber dies war keine gewöhnliche Nacht. Elinor warf einen Blick in den Himmel. In den Kronen der alten Obstbäume hingen die Sterne so dicht wie Traubenbüschel. Der Garten war still und dunkel und nicht wie sonst von belanglosem Geschwätz erfüllt. Die Tür zum Badehaus war verschlossen, der Brotofen kalt und hinter keinem der vielen Fensterläden war auch nur ein Funke Licht zu sehen. Die Wachen auf den beiden Rundtürmen des Bollwerks hatten Anweisung bekommen, nach Westen Ausschau zu halten und sich keinesfalls zum Innenhof umzudrehen. Die Männer würden sich daran halten.
    Elinor straffte ihre Schultern und sah sich selbst, wie sie zwischen den kahlen Bäumen umherging: eine große, schlanke Zauberin mit blasser Haut, von Kopf bis Fuß in Pelze und schwarzen Samt gehüllt. Auch an hohen Feiertagen trug sie ausschließlich schwarzen Schmuck, obwohl ihr die Besucher und fahrenden Händler Geschmeide aus Gold und Silber anboten. Um die Stirn trug sie einen dünnen Reif mit einer mitternachtsblauen Perle. Ein blindes Auge, mitten auf der Stirn.
    Durch dieses Auge hatte sie die Göttin erblicken wollen. Doch Morrigan war nicht erschienen.
    »Elinor, sagt, wird er kommen? Wird der Gerufene wirklich erscheinen?«
    Sie fuhr herum, als sie die Stimme ihres Gemahls hörte. »Wie soll er denn den Weg hierher finden, wenn Ihr meine Trance stört? Verhaltet Euch gefälligst still!«, herrschte sie Cedric an, doch sogleich bereute sie ihre Grobheit.
    Das Knie
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