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Der Schatz des Störtebeker

Der Schatz des Störtebeker

Titel: Der Schatz des Störtebeker
Autoren: Ronald Gutberiet
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    Sie waren in einen Hinterhalt geraten. Der junge Mann, der neben dem Kapitän auf dem Achterkastell stand, bemerkte als Erster, dass die Kogge, die sie gerade verfolgten, nicht allein war.
    »Wir werden diese Kerle bald zu fassen kriegen«, sagte Kapitän Hinrichs.
    Jan Burchard schüttelte den Kopf: »Ich glaube nicht.« Er hegte schon seit einiger Zeit den Verdacht, dass sein Kapitän kurzsichtig war und der Mann im Ausguck eine Schlafmütze. Keiner von ihnen hatte bemerkt, dass sie gerade das Opfer einer raffinierten List wurden.
    »Verfluchte Seeräuber«, murmelte Jan Burchard.
    »Sie werden sich bald selbst verfluchen«, tönte Kapitän Hinrichs selbstbewusst.
    »Nein, Kapitän, ich fürchte, wir sind es, die gleich in Wehklagen ausbrechen werden.«
    Hinrichs blickte seinen jungen Herrn mit einer Mischung aus Unglauben und Verärgerung an: »Was soll das heißen?«
    »Wir haben drei Schiffe«, sagte Jan Burchard und deutete auf die beiden Hansekoggen, die jetzt aufgeholt hatten und nicht mehr sehr weit hinter ihnen lagen.
    »Ja und?«
    Jan Burchard schwenkte den Arm Richtung Backbord: »Die Piraten haben sechs.«
    Jetzt sah es auch der Kapitän: »Verfluchte Bande!«
    Es war ein klassischer Hinterhalt, das erkannte jetzt sogar der begriffsstutzige Hinrichs. Er gab das Kommando zum Abdrehen, aber das machte die Lage nur noch schlimmer. So hatten sich die wagemutigen Hanseaten ihre Jagd auf die Piraten nicht vorgestellt. Sie befanden sich auf dem Weg nach La Rochelle, um drei Ladungen Rotwein für Hamburg, Lübeck und Wismar an Bord zu nehmen. Als sie bei günstigem Nordwestwind auf südlichem Kurs nahe der bretonischen Küste in Sichtweite der Belle-Ue gekommen waren, hatten sie eine fremde Kogge bemerkt, die sich ihnen von Westen her näherte und zweifellos beabsichtigte, ihren Kurs zu schneiden.
    Jan Burchard hatte die schwarze Freibeuterfahne als Erster gesehen und dem Kapitän seine Entdeckung mitgeteilt. Hinrichs rieb sich die Hände: »Ha! Sie fahren in ihr Verderben.« Er ging davon aus, dass die Piraten seine beiden Begleitschiffe noch nicht bemerkt hatten, da sie weit abgefallen hinter ihnen lagen. Zweifellos beabsichtigten die Seeräuber, die Hansekogge zu entern.
    Hinrichs gab den Befehl, den Kurs zu ändern. Er wollte dem Feind die Stirn bieten, was zweifellos die beste Taktik in einer derartigen Situation war. Da der Bug nun halb gegen den Wind gedreht war, verlangsamte sich die Fahrt des Handelsschiffs, was aber kein Nachteil war, denn zum einen hielt die Piratenkogge hart am Wind direkt auf sie zu, und zum anderen hatten die beiden Begleitschiffe der Hanseaten nun Gelegenheit aufzuschließen. Dem Gefecht, so meinte Hinrichs, könne man also gelassen entgegensehen. Er befahl seiner Besatzung, zu den Waffen zu greifen und sich bereitzuhalten.
    Die Seeräuber drehten ab. Jan Burchard wandte sich um. Hatten die Angreifer etwa die beiden anderen Schiffe bemerkt?
    »Feige Bande!«, rief Hinrichs. »Die werden wir uns schnappen!«
    Zunächst sah es so aus, als wollten die Seeräuber hinter der Belle-Ile Schutz suchen. Sie gingen auf Kurs West-Süd-West und verschwanden hinter einer Landzunge.
    »Lasst es gut sein, Kapitän«, sagte Burchard. »Hinter der Insel liegt der Wind für sie wieder günstig, und sie werden uns davonsegeln.«
    Aber Hinrichs hatte Blut geleckt. Er rieb sich die Hände: »Habt Ihr nicht bemerkt, dass unsere Schiffe viel schneller sind? Wir werden ihnen zeigen, dass man braven Hanseaten nicht ungestraft in die Quere kommt.«
    Tatsächlich befanden sich die anderen beiden Schiffe jetzt direkt hinter ihnen. Im Verhältnis drei zu eins dürften sie ein leichtes Spiel gegen die Seeräuber haben. Hinrichs’ Eifer war durchaus verständlich: Er war im Laufe seines langen Lebens auf See mehr als einmal Opfer von Piraten geworden und hatte erleben müssen, wie zahlreiche tapfere Männer von diesen blutrünstigen Teufeln massakriert worden waren. Trotzdem hatte Jan Burchard, der zwar noch jung war, aber als Vertreter seines hamburgischen Handelshauses ebenfalls über einige Erfahrung als Seefahrer verfügte, ein ungutes Gefühl. Und er behielt Recht.
    Kaum hatten die wackeren Hanseaten die Spitze der Landzunge erreicht, bemerkten sie die fünf anderen Piratenschiffe, die mit gerefften Segeln auf sie gewartet hatten. Rasch hatten sie ihre Segel gesetzt und hielten nun hart vor dem Wind direkt auf die Hanseaten zu.
    Was sollte Hinrichs jetzt tun? Eine feige Flucht war zweifellos die
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