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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder
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1
     
     
    Weit vorn, ins Licht des galaktischen Zentrums getaucht, stiegen die Nachtjäger empor.
    Von seiner Position aus sah Pirius, wie sich die schwarzen Gebilde von den Wänden ihrer Zuckerwürfelträger lösten. Sie breiteten anmutige Schwingen aus, so schwarz, dass sie wie aus dem glühenden Hintergrund des Kerns ausgeschnitten wirkten. Einige von ihnen hatten eine Spannweite von mehreren Kilometern. Es waren Xeelee-Nachtjäger, aber bei Strike Arm hießen sie immer nur »Fliegen«.
    Sie hielten auf die vordersten Schiffe der Menschen zu, und Pirius sah kirschrotes Licht aufflammen.
    Sein fragiles Grünschiff schwebte über dem zerklüfteten Boden eines Steinbrockens. Dieser Steinbrocken war ein schwarzgrauer Asteroid mit einem Durchmesser von einem Dutzend Kilometern. Seine gesamte Oberfläche war von miteinander verbundenen und sich kreuzenden Schützengräben durchzogen, sodass er wie ein freigelegtes Gehirn aussah. Lichtfunken krochen durch dieses Liniengeflecht: Infanteriesoldaten, die unablässig gruben und gruben und sich auf ihre eigenen Zusammenstöße mit dem Schicksal vorbereiteten. Es würde noch eine gute Stunde dauern, bis dieser Steinbrocken und Pirius’ Grünschiff das Schlachtfeld erreichten, doch auch jetzt schon kämpften und starben Männer und Frauen.
    Er konnte nichts anderes tun als zuschauen und vor sich hingrübeln. Man spürte nicht einmal eine Bewegung. Der pulsierende Unterlichtantrieb der Assimilator’s Claw vermittelte ihm den Eindruck, als hinge er regungslos im überfüllten Herzen der Galaxis. Pirius fragte sich besorgt, welche Wirkung die Warterei wohl auf seine Besatzung hatte.
    Pirius war neunzehn Jahre alt.
    Er befand sich tief in der Masse, wie die Piloten es nannten – offiziell die zentrale Sternenmasse, ein Dschungel aus Millionen von Sternen, die in eine Kugel von nur dreißig Lichtjahren Durchmesser gestopft waren, ein Kern innerhalb des Kerns. Vor ihm hing ein Sternenschleier vor einem Hintergrund aus turbulentem leuchtendem Gas; er sah Lichtjahre lange Fäden und Streifen, die vom Magnetfeld der Galaxis auseinander gezogen wurden. Dieses stellare Chaos blubberte und brodelte in höheren Raumzeitdimensionen als jenen der Menschen, so als wäre er im Zentrum einer eingefrorenen Explosion gefangen. Der Himmel war hell, voller Sterne und Wolken, nirgends war auch nur ein Fitzelchen Dunkelheit auszumachen.
    Und hinter den Sternen sah er den Hohlraum, eine durch gewaltige astrophysikalische Kräfte von sämtlichen Gasen befreite zentrale Blase, und darin wiederum die Babyspirale, einen Wirbel aus Sternen und molekularen Wolken, wie eine Spielzeugversion der Galaxis selbst, fraktal in die größere Scheibe eingebettet. Das war das galaktische Zentrum, eine in Schichten aufgebaute astrophysikalische Maschinerie, deren Motor Chandra war, das brütende schwarze Loch im innersten Herzen der Galaxis.
    Diese ungeheure Sternenfülle hätte einen Erdenbürger überwältigt – aber die Erde mit ihrer geduldigen, langlebigen Sonne draußen in der ordentlichen Sternenfabrik der Spiralarme war achtundzwanzigtausend Lichtjahre von hier entfernt. Pirius allerdings war mit solchen Anblicken aufgewachsen. Er war das Produkt von hundert Generationen, die den Gebärtanks der Bogen-Basis – offizielle Bezeichnung: Basis 2594 – ein paar Lichtjahre außerhalb der Masse entstammten. Dennoch war er ein Mensch mit menschlichen Instinkten. Und als er zu der dreidimensionalen Komplexität hinausschaute, die sich um ihn herum erstreckte, krallte er die Hände in das abgewetzte Material seines Sitzes, als verlöre er sonst womöglich das Gleichgewicht.
    Wohin Pirius’ Blick in diesem astrophysikalischen Diorama auch fiel, überall sah er Zeichen des Krieges.
    Sein Schiff war einer von hundert grünen Funken, zehn kompletten Staffeln, die allein als Eskorte dieses einen Steinbrockens abgestellt waren. Als Pirius aufblickte, sah er weitere Steinbrocken, einen ganzen Strom, ausgesandt von den um die Masse herum errichteten riesigen menschlichen Stützpunkten.
    Jeder wurde von einem eigenen Schwarm von Grünschiffen begleitet. Stromaufwärts und stromabwärts wurde die Kette der Steinbrocken immer kleiner, bis sich kilometerdicke kleine Welten wie Kiesel im grellen Lichtschein verloren. Hunderte von Steinbrocken, tausende vielleicht, waren für diesen einen Angriff aufgeboten worden. Es war ein gigantischer Anblick, eine eindrucksvolle Zurschaustellung menschlicher Macht.
    All dies wurde
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