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Anschlag auf den Silberpfeil

Anschlag auf den Silberpfeil

Titel: Anschlag auf den Silberpfeil
Autoren: Stefan Wolf
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sie ihn beobachtete, war
ausgeschlossen.
    Er fuhr weiter.
    Aus den Büschen schlängelte sich der
Feldweg hervor, den er ursprünglich benutzen wollte. Ackerwagen hatten tiefe
Furchen gegraben.
    Der Weg mündete am Bahndamm.
    Die Schienen schimmerten im Licht der
Abendsonne. Steine und Bohlen waren rußig. Scherben lagen am Rande des
Bahndamms. Reste von Flaschen, die jemand aus dem Zug geworfen hatte.
    Ferkel! dachte er. Umweltverschmutzer!
Wahrscheinlich irgendwelche Kanaken, die hier nichts zu suchen haben.
    Er spähte zur Straße.
    Gertruds Wagen war noch da.
    Er versteckte sein Moped hinter einem
Haselstrauch. Es kippte um, als er es anlehnte, fiel aber weich, und er ließ es
liegen.
    Gebückt lief er zum Eingang des
Tunnels.
    Zu beiden Seiten am Hang lagen
Felsbrocken — von Kopf- bis Kistengröße.
    Er trat auf das Gleis und horchte.
    Wind strich über die Wipfel und kämmte
das Gras. Er hörte Feldlerchen — oder was das war — und in weiter Ferne eine
Kirchturmglocke. Alles in allem Stille. Jedenfalls kein Laut, der die Nähe von
Menschen verriet.
    Er sah auf die Armbanduhr — ein
schmuckes Fabrikat aus der Schweiz, das nicht unter 5000 DM zu bekommen war.
Sein Vater hatte sie ihm zum 14. Geburtstag geschenkt — was bei Bekannten auf
heftige Kritik gestoßen war. Aber er trug sie gern. Nun gerade! Obwohl sie
nicht genauer ging als andere, preiswertere Uhren.
    Der Silberpfeil — hm — war wohl schon
durch. Egal! Ihm, Erich, ging es nur darum, die Kollision ( Zusammenprall) zu beobachten. Man las soviel darüber. Sehen wollte er’s. Hören! Erleben! Was
geschah, wenn ein Zug auf ein Hindernis auffuhr? Auf junge Felsen, bzw. alte
Klamotten, die auf den Schienen aufgetürmt waren.
    Unappetitlicher Geruch stieg von den
Bohlen auf.
    Kein Wunder! Eisenbahn-Klos sind nun
mal Plumps-Klos, die ins Freie münden, nämlich auf die Schienen.
    Er beschloß, nachher die Schuhe
sorgfältig abzuputzen. Aber jetzt lief er in den Tunnel, der ihn schwarz
angähnte wie der Rachen eines Ungeheuers.
    Er trat hinein. Dunkelheit. Stille.
Wasser tropfte von den Tunnelwänden. Der einzige Laut. Vor ihm huschte was.
Eine Ratte? Er lief noch ein Stück. In unendlicher Ferne vermeinte er, einen
pfenniggroßen Lichtfleck zu erkennen. Das andere Ende des Tunnels? Er starrte.
Aber der Fleck wurde nicht deutlicher.
    Er lief zurück. Im Freien sah er sich
um.
    Es war immer noch hell. Doch die Sonne
würde bald den Horizont berühren.
    Erich Jasper stieg einige Meter den
Hang hinauf, wählte einen etwa zentnerschweren Steinbrocken und wälzte ihn
hinunter. Neben dem Gleis wälzte er ihn in den Tunnel — und dann auf die
Schienen.
    Es folgten sechs weitere Brocken:
gleichgroße und kleinere.

    Das Hindernis in der Finsternis wuchs.
    Als es ihm genug erschien, war er in
Schweiß gebadet.
    Er zog seine Windjacke, die er nach dem
zweiten Felsbrocken abgelegt hatte, wieder an.
    Jetzt galt es, ein sicheres Versteck zu
finden. Am besten oben am Berg.
    Er nahm sein Moped mit. Bergan war das
mühselig. Aber schließlich lag er in einer Senke, unter den Zweigen einer
Bergulme.
    Ganz plötzlich fühlte er sich fiebrig
vor Spannung. Bäuchlings spähte er über den Rand der Senke. Von hier konnte er
weit sehen. Auch zur Straße, wo Gertruds roter Chaussee-Hopser immer noch
stand.
    Wo, zum Teufel, blieb der nächste Zug?
    Das, dachte er, ist doch was anderes — als
im Dunkeln Seile über einsame Straßen zu spannen. Kinderei! Dreimal hatte er’s
gemacht. Einmal zuviel, denn diese Barbara Schnabel wäre beinahe tödlich
verunglückt. Selbstverständlich hatte er das nicht bezweckt. Von der Sache
erfuhr er erst aus der Zeitung, später. Zweimal noch hatte er zwischenzeitlich
Seile gespannt. Dann nie wieder.
    Hier — davon war er überzeugt — würde
zwar eine Lok demoliert ( beschädigt ) werden. Mehr aber nicht. Oder?
Vielleicht entgleiste der Zug, und Reisende wurden verletzt.
    Werden wir alles sehen, dachte er.
Deshalb mache ich’s ja. Deshalb bin ich hier.
     
    *
     
    Gertrud Rawitzky stand in der
Feldscheune — und hielt den Atem an.
    Die Scheune war alt, baufällig,
enthielt keine Geräte und würde demnächst abgerissen werden, weil sie zu nichts
mehr nutzte.
    Spinnen hatten in den Ecken ihre Netze
gebaut. Unter dem Dach waren Vogelnester.
    Zwischen Scheune und Bahndamm lagen
etwa 300 Meter. Bis zum Eingang des Teufelstunnels war es etwas weiter.
    Querfeldein war Gertrud hierher
gestiefelt — unmittelbar nachdem sie mit Erich geredet
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