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Anschlag auf den Silberpfeil

Anschlag auf den Silberpfeil

Titel: Anschlag auf den Silberpfeil
Autoren: Stefan Wolf
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Triebwagen in
Bewegung.
    Christine blickte hinaus.
    „Ich war schon lange nicht mehr hier.
Dumm, eigentlich. Ich verstehe mich gut mit meiner Schwester. Und ich bin gern
in der Großstadt. Außerdem ist die Landschaft ringsum bilderbuchschön. Gehört
zu den schönsten in Europa, nicht wahr?“
    „Bestimmt!“ nickte Tim. „Besuchen Sie
Ihre Schwester öfter, dann wollen Sie eines Tages nicht mehr weg.“
    „Ach, weißt du — mein Schwager... der
ist irgendwie familienfeindlich. Er nimmt sich zusammen, wenn ich komme. Aber
länger als drei Wochen darf ich nicht bleiben. Sonst wird er fuchsig.“
    „Vielleicht sollten Sie Ihre
Verwandtschaft mal besuchen, wenn Sie keinen Heuschnupfen haben.“
    Sie lachte. „Es ist entsetzlich. Ich
weiß. Ha... hatschi!“ Diesmal erwischte sie ihr Taschentuch rechtzeitig.

    Nach dem Schneuzen deutete sie auf die
Hügel, die sich aus der Landschaft erhoben.
    „Sieh mal den Falken! Wie er am Himmel
schwebt.“
    „Majestätisch!“ nickte Tim. „Aber es
handelt sich um einen Bussard.“
    „Bist du sicher?“
    „Absolut. Ich bin GVF — Greifvogel-Fan.
Beschäftige mich mit ihnen, studiere sie. Der Bussard unterscheidet sich
deutlich von Wanderfalk, Turmfalk, Baumfalk oder Merlin. Selbstverständlich
auch von Habicht, Sperber, Rotem Milan, Rohr- und Kornweihe. Gemeinsam ist
allen — samt Fisch- und Steinadler daß es Tag-Greifvögel sind. Dann gibt es
nämlich noch die nachtaktiven. Das sind die Eulenvögel — wie der Bubo bubo, so
heißt der Uhu auf lateinisch, und sämtliche Käuze und Eulen.“
    „Interessant!“ sagte sie. „Ich kenne
mich nur bei den Singvögeln aus. Im Winter füttere ich die Meisen.“
    Der Triebwagen hielt.
    Sie waren in Kleinmichelsdorf.
    Das Stationsgebäude hatte Ruß
angesetzt. Hügeliges Gelände zog sich ins Land. Durch einen Streifen Nadelwald
schimmerte der helle Verputz der Häuser.
    Tim reckte den Kopf. Er hatte Barbara
Schnabel erspäht, eine ehemalige Klassenkameradin. Sie stieg zu.
    Er winkte ihr, und sie kam heran, eine
Vierzehnjährige mit blassem Gesicht und dunklen Mandelaugen.
    „Hallo, Tim“, meinte sie erfreut.
    Er machte sie mit Christine bekannt und
erklärte: „Wir waren zusammen in einer Klasse. Zu Ostern hat Barbara die Schule
gewechselt. Weil’s zu beschwerlich war, tagtäglich als Fahrschülerin in unserer
Penne anzutanzen.“
    „Besonders nach dem Unfall“, nickte sie
und setzte sich neben ihn.
    „Ja, richtig. Wie geht’s denn jetzt? Du
siehst wieder völlig gesund aus.“
    „Schön wär’s“, lächelte sie. „Ich will
gerade zu meinem Arzt. Deshalb fahre ich in die Stadt. Ich werde immer noch
behandelt. Es war eine schwere Gehirnerschütterung, und die Wirbelsäule war
auch verletzt. Ich bin mit dem Fahrrad verunglückt“, wandte sie sich an
Christine.
    „Aber nicht nur so, wie es jedem
passieren kann“, sagte Tim, „sondern dramatischer. Barbara ist buchstäblich in
eine Straßenfalle geraten. Es war Abenddämmerung, nicht wahr? Und irgendso ein
Mistkerl hatte ein Seil über die Straße gespannt. Über die Landstraße zwischen
Großrhoden und Träubling. Das ist... also, wir kommen da gleich vorbei. Ist die
Gegend hinter dem Teufelstunnel — mehr in Richtung Stadt.“
    „Um Gottes willen!“ entsetzte sich
Christine. „Das muß ja schrecklich gewesen sein.“
    „Ich weiß nur noch, wie ich über den
Lenker flog“, nickte Barbara. „Von dem Seil habe ich nichts gesehen, obwohl
meine Fahrradlampe brannte. Ich hätte tot sein können. Besinnungslos war ich.
An der Stelle, wissen Sie, ist die Straße abschüssig. Das Seil war zwischen
zwei Chausseebäumen gespannt. Ich hatte auf einen Wagen geachtet, der mir
entgegenkam. Zum Glück fuhr er langsam. Sonst hätte er mich überrollt.“
Christine schüttelte den Kopf. „Ein Lausejungen-Streich?“
    „Die Polizei hat nichts rausgekriegt“,
antwortete Tim. „Null Spur. Allerdings wurde noch zweimal in der Gegend auf die
gleiche Weise eine Falle errichtet. Bestimmt vom selben Täter. Aber es
passierte nichts. Spaziergänger entdeckten die Seile.“
    „Man begreift nicht“, sagte Christine, „daß
jemand so gemein und hinterhältig sein kann. Hast du noch Schmerzen, Barbara?
Muß du dich noch schonen?“
    Das Mädchen bestätigte. Sie hatte oft
Kopfweh. Vom Schulsport war sie befreit. An Radfahren war nicht zu denken. Sie
mußte sich vorsehen.
    Während sich die beiden unterhielten,
sah Tim durch die Scheiben in den vorderen Wagen. Er hatte Otto
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