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Anschlag auf den Silberpfeil

Anschlag auf den Silberpfeil

Titel: Anschlag auf den Silberpfeil
Autoren: Stefan Wolf
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verwegenen Reisehut. Sie schleppte einen kleinen
Koffer und wirkte gehetzt. Jedenfalls glühte das Rot auf ihren Wangen.
    „Gefunden? Ich habe nichts gefunden.
Ich lege nur meinen Abfall an den richtigen Platz.“
    „Schade!“ Sie atmete erschöpft. „Hach,
ist das ein Jammer! 298 Mark - weg! Und das glaubt mir doch keiner.“
    „Haben Sie Ihr Portemonnaie verloren?“
    „Nein. Meine Fahrkarte. Die habe ich
gestern schon gekauft. Vorhin, als ich aus dem Taxi stieg, hatte ich sie noch.
Aber hier in der Halle — hier muß ich sie verloren haben.“
    „Sowas kommt vor“, nickte er und ließ
seinen Blick über den Boden wischen — wie den Scheuerlappen einer
Raumpflegerin.
    „Weil ich Heuschnupfen habe“, klagte
die Frau, „ist mir das passiert. Nur deswegen.“
    Tim erkannte keinen unmittelbaren Konnex
( Zusammenhang ) zwischen der Hatschi-Krankheit und dem Verlust der Karte.
Fragend hob er die Brauen.
    „Mehrmals — vielmals“, erklärte sie, „habe
ich mein Taschentuch aus der Handtasche genommen. Und dabei... sicherlich! Die
Karte steckte neben dem Tuch.“
    „Ich habe noch 18 Minuten Zeit. Wenn
Sie wollen, tapern wir zusammen die Strecke ab, auf der Sie gewandelt sind. Ich
habe scharfe Augen. Ihr Heuschnupfenblick ist sicherlich trübe.“
    Sie nickte. „Ganz verschwom... schwo...
Ha... Hatschi! Da! Schon wieder! Es ist schrecklich!“
    Sie prustete los wie eine Wasserkanone.
Dabei verlor sie fast ihren Hut. Aber sie war eine nette Person. Und hilflos.
Also nahm Tim sich ihres Koffers an, trug ihn und suchte an ihrer Seite die
Halle ab.
    Christine Pfab — so stellte sie sich
vor, und auch Tim nannte seinen Namen — , Christine wußte freilich nicht mehr
genau, wo sie gegangen war. Sie sah auch den Weg verschwommen.
    Null Erfolg. Sie fanden die Karte
nicht.
    „Dann muß ich eine neue kaufen“, meinte
sie. „Denn wer würde mir glauben, daß ich eine hatte.“
    „Ich glaube Ihnen“, sagte er. „Aber ich
bin nicht der Schaffner. Ihre Karte hat 298 Mark gekostet? Meine auch. Fahren
Sie nach...“
    Er nannte sein Ziel, und sie nickte.
    „Ich will meine Schwester besuchen.
Bist du dort zu Hause, Tim?“
    „Zuhause bin ich hier. Aber ich besuche
dort die Schule, die bekannte Internatsschule außerhalb der Stadt. Ist irre gut
in der Penne. Natürlich braucht man die richtigen Freunde. Daß man die findet —
und auch alles andere, liegt an einem selbst. Man muß nur machen. Dann gibt’s
keine Fremdheit, und alles läuft zombig ( großartig ). Aber jetzt sollten
Sie Ihre Karte kaufen, Frau Pfab, und dem Kartenmann sagen, was Sache ist. Vielleicht
hat inzwischen ein ehrlicher Finder zugeschlagen. Die werden zwar selten, aber
sie gibt’s immer noch.“
    Er begleitete sie zum
Fahrkartenschalter, wo gerade die Nachfrage stockte. Sie waren die einzigen
Kunden.
    Christine Pf ab erklärte ihr
Mißgeschick. Niemand hatte eine Karte abgegeben. Für den Fall, daß sie noch
gebracht wurde, notierte sich der Beamte Christines Personalien.
    „Fragen Sie bitte nach bei Ihrer
Rückkehr, Frau Pfab. Gegebenenfalls werden wir den Betrag erstatten. Jetzt
müssen Sie leider einen neuen Fahrausweis lösen.“
    Inzwischen drängte die Zeit.
    Bahnsteig 6 — au Backe! dachte Tim.
    Aber sie schafften es. Er spurtete
voran, bepackt mit Koffer und Reisetasche. Christine keuchte die letzte Treppe
hinauf, als die Türen sich schon schlossen. Tim zog sie in Wagen vier hinein,
wo sie eine Platzreservierung hatte: Fensterplatz, Nichtraucher.
    Das Abteil war leer. Also hatte auch
Tim einen Fensterplatz.
    Mit gemischten Gefühlen nahm er den
ein. Nicht wegen Christines Heuschnupfen — der steckte nicht an sondern wegen
der zu befürchtenden Gesprächigkeit bis zum Ziel. Schließlich hatte er eigens
sein Buch dabei — und an spannender Stelle unterbrochen.
    „Danke für deine Hilfe! Und fürs
Koffertragen!“ Sie lächelte. „Bitte, noch nicht auf die Gepäckablage. Ich will
meine Zeitschriften rausnehmen.“
    Sie hatte sich gut versorgt und fünf
Magazine eingepackt: druckfrisch und ungelesen. Na also! Breitlächelnd nahm er
sein Buch aus der Leinentasche. Christine sah interessiert nach dem Titel.
    „Angenehme Reise, Frau Pfab!“
    Sie lachte. „Nachher — wenn wir Hunger
bekommen, gehen wir in den Speisewagen. Ich lade dich ein. Ohne dich... Ha...
Hatschi!...“, sie besprühte die Scheibe, denn das Taschentuch war nicht zur
Hand, „...wäre ich ja völlig aufgeschmissen.“
    „Ist wirklich nicht nötig. Aber
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