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67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen

67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen

Titel: 67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen
Autoren: Karl May
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ERSTES KAPITEL
    Auf Schatzsuche
    Als Leni den ebenen Boden erreichte, gab es ihr zur rechten Hand ein leises Geräusch, welches sie aber gar nicht beachtete. Sie begab sich in grader Richtung nach der Mühle.
    Zwar stand der Wagen nicht mehr da, aber die von demselben abgeladenen Effekten lagen noch auf der Erde. Der Müller hatte noch nicht erlaubt, sie hereinzuschaffen. Er wollte die Sängerin auf alle Fälle loswerden.
    Leni hielt es nicht für notwendig, erst Erkundigungen einzuziehen. Sie klopfte bei ihm an und trat auf seinen Ruf in die Stube. Er hatte, wie gewöhnlich, die Peitsche in der Hand und rauchte eine Meerschaumpfeife. Leni grüßte höflich.
    „Wer bist?“ fragte er.
    „Ich bin die Mieterin des Logis über dieser Stube“, antwortete sie.
    „Du?“ fragte er erstaunt.
    „Ja.“
    „Das ist doch für die Sängrin gemietet worden!“
    „Die bin ich ja.“
    „Die Mureni etwa?“
    „Ja.“
    „Ich denk, die Dicke ist's?“
    „O nein. Sie ist nur meine Ehrendame.“
    Das war ihm ganz und gar unbegreiflich.
    „Was! Du in diesem Röckerl und in diesem Kontuscherl hättst eine solche Ehrendame!“
    „Ja.“
    „Das machst mir nicht weis. Da müßtests doch viel nobler gehn wie sie selber.“
    „Das tu ich auch.“
    „Davon seh ich nix.“
    „In der Stadt leg ich andre Kleidung an. Aber ich war eine arme Sennerin, und ich lieb das Leben auf dem Dorf. Darum trag ich am liebsten diesen Anzug, wann's halbwegs möglich ist.“
    „Das könnt mir eigentlich gefallen, wann's wirklich auch richtig so ist.“
    „Es ist so. Oder schau ich wie eine Lügnerin aus?“
    „Nein, das nicht. Aber was willst bei mir?“
    „Ich möcht gern unsere Sachen herauf in die Stuben haben, du aber hat's verboten.“
    „Ja, du wärst mir schon recht, aber die Dicke, die mag ich nicht leiden.“
    „Warum nicht? Bist doch selbst auch nicht dürr!“
    „Was geht's dich an! Hast auch das Maul auf dem richtigen Fleck. Nicht?“
    „Ja freilich. Wie könnt ich sonst eine Sängrin sein, wann ich das Maul in der Taschen hätt. Also, darf ich die Sachen hereinschaffen lassen?“
    „Deine Sachen, ja; aber die Dicke muß fort.“
    „Damit bin ich auch ganz zufrieden. Aber laß sie nur wenigstens so lange da, bis ich einen Wagen besorgt hab, mit dem sie nach der Bahn fahren kann!“
    „Dagegen will ich schon nix haben. Nachher aber muß sie fort. Verstanden?“
    „Freilich. Und wannst dann willst, geh ich auch gar selber mit. Schlaf wohl!“
    „Schlaf wohl auch du!“
    Als sie hinaus war, brummte er:
    „Ein sakrisch Weibsbild. Wann die einem so unter die Augen hineinschaut, so kann man fast gar nimmer nein sagen. Das ist grad so eine, die den Männern die Köpfe verdrehen kann. Ich kann froh sein, daß ich kein Junger mehr bin, sonst tät ich der gleich das ganze Haus vermieten und die Mühl und die Felder und Wiesen dazu!“ –
    Das Geräusch draußen am Grab, welches von Leni nicht beachtet worden war, kam aus dem geheimen Eingang in dem Felsen. Da unten hatte der Fex mit dem Sepp gesessen. Sie hatten die Stimmen über sich gehört und waren hinauf gekrochen, um nachzusehen, wer da oben so laut rede. Grad als beide den Gang verlassen hatten, war die Sängerin an dem Strauch, hinter welchem die beiden steckten, vorübergegangen.
    „Die Leni“, flüsterte der Sepp. „Sie hat mit jemand gesprochen. Wer mag das sein?“
    „Das werden wir bald erfahren. Hier führt ja der Weg vorüber.“
    „Ich sollt sie nach der Mühle begleiten. Sie hat also gewußt, daß sie jemanden trifft. Ich glaub gar, sie hat ein Stelldichein gehabt. Der Kerl muß noch oben sein. Gehn wir hinauf!“
    „Wannst meinst, ja. Verraten ist's doch nicht, daß wir aus dem Felsen kommen.“
    Sie warteten noch einige Augenblicke, dann stiegen sie langsam hinauf. Droben stand Anton noch. Er war sehr verwundert, zwei Leute kommen zu sehen, war aber sogleich beruhigt, als er sie erkannte. Der Sepp tat, als ob er keine Ahnung gehabt habe, daß jemand sich hier oben befinde.
    „Holla!“ sagte er. „Da steht ein Kerl! Wer ist's?“
    „Furcht' dich nur nicht, Sepp! Ich bin's“, antwortete der einstige Wilderer.
    „Ah! Der Krickel-Anton! Was machst denn hier heroben?“
    „Ich geh' spazieren.“
    „Da auf dem Felsen?“
    „Ja.“
    „Und da unten geht auch eine spazieren? Die ist von dir gekommen. Wer ist's gewesen?“
    „Geht's dich was an?“
    „Nein, aber neugierig bin ich.“
    „So muß ich's dir sagen, sonst stirbst daran. Es war die Magd aus
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