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Anschlag auf den Silberpfeil

Anschlag auf den Silberpfeil

Titel: Anschlag auf den Silberpfeil
Autoren: Stefan Wolf
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Nitschl
entdeckt. Der Typ saß in Fahrtrichtung, wandte ihm also den kahlgeschorenen
Hinter köpf zu, wo ein Pflaster klebte.
    Der Arzt hatte die Platzwunde mit Jod
behandelt. Der halbe Hinter köpf war gelb gefärbt.
    Nitschl hing auf seinem Platz, als wäre
es ihm schnurzegal, wohin der Triebwagen fuhr.
    Aber der fuhr jetzt zum Teufelstunnel,
dem einzigen Tunnel in Richtung Stadt. Eine zwei Minuten lange Röhre ist das,
die durch den Bauch des Teufelsberges führt.

4. Falle im Teufelstunnel
     
    Über das, was er tat, machte Erich
Jesper sich keine Gedanken. Geschweige denn, daß er darüber Rechenschaft
ablegte. Warum auch? Außer ihm wußte kein Aas, was er trieb.
    Es war merkwürdig. Nur was verboten,
was strafbar war — das machte ihm Freude. Er hielt das für Abenteuerlust. Das
genügte als Erklärung. Und damit Schluß!
    Jetzt, am späten Nachmittag dieses
Tages, knatterte er zweirädrig über die Landstraße hinter Träubling.
    Die Birken hatten zartes Grün
angesetzt. Auch die Wiesen grünten. Auf den Feldern setzte kräftig das Wachstum
ein.
    Erich griente vor sich hin. Vorfreude
erfüllte ihn.
    Er war 16, hochgewachsen, mit
weizenblondem Haar. Er hatte ein weiches Gesicht mit übermäßig zarter Haut und
verträumten Augen. Er war ein Typ, an dem alte Damen sich entzückten. Da er aus
gutem Hause stammte, hielt er auf Manieren. Locker war er nicht. Aber er
versteckte seine Krampfigkeit hinter einem sanften Lächeln. Niemand hielt ihn
für fähig, ein Wässerchen zu trüben.
    Er fuhr Moped. Als er sich der
Abzweigung näherte, einem Feldweg, wurden seine Augen schmal.
    Ein kleiner Wagen parkte dort. Mit
städtischem Kennzeichen.
    Eine Frau war ausgestiegen, stützte
eine Hand auf den Kofferraum und blickte suchend umher. Panne?
    Werde so tun als ob, dachte er und
verlangsamte sein Tempo.
    „Hallo!“ sagte er, hielt und setzte
einen Fuß auf den Boden. „Kann ich Ihnen helfen? Ist was kaputt? Muß ein Reifen
gewechselt werden?“
    Sie war eine fesche Person, trug
kakaofarbene Jeans, Basketballstiefel und ein buntes Sweatshirt. Ihr langes,
schwarzes Haar hatte sie mit einem gelben Stirnband gebändigt.
    „Danke, junger Mann. Nein, alles in
Ordnung. Ich will nur... Ah, bist du nicht Erich Jesper?“
    Er zuckte zusammen. Aber sein Lächeln
blieb. Er haßte es, wenn Fremde ihn ohne seine Einwilligung duzten. Außerdem — verdammt
nochmal! — woher kannte ihn dieses Weib?
    „Hm, ja. Der bin ich. Verzeihung, daß
ich nicht darauf komme, wer Sie sind.“
    „Gertrud Rawitzky.“ Sie lächelte mit
breitem Mund und grünen Augen. „Sagt dir nichts, wie? Ich bin Fotografin. Auf
eurer Gartenparty im September habe ich die Bilder gemacht. Aber da waren ja
500 Leute. Wie solltest du dich an jedes Gesicht erinnern?“
    „Doch. Natürlich. Jetzt habe ich’s
wieder. Aber Sie sahen anders aus, festlicher.“
    „Klar. Das war ja auch eine Party. Dein
Vater ist berühmt für seine Feten. Jetzt bin ich auf Pirsch. Ich suche Motive
für einen Bildband über dieses Gebiet. Landschaftsfotos. Fotos von Tieren. Von
Höfen. Von der näheren Umgebung der Stadt.“
    „Dann wünsche ich Ihnen eine reiche
Ausbeute. Auf Wiedersehen!“
    Sie trug ihm Grüße auf an seinen Vater.
    Erich ratterte weiter.
    Ausgerechnet die! dachte er. Egal!
Mache ich eben einen Umweg. Kostet mich zehn Minuten — und ein Lächeln. Den
Silberpfeil habe ich ohnehin verpaßt. Dann eben den nächsten — egal, was es
ist.
    Rechts der Straße stiegen die Felder
leicht an. Ein Weg, den nur landwirtschaftliche Fahrzeuge benutzen, führte zum
Teufelsberg, einem schroffen Höhenzug. Er teilte die Ebene vor der Stadt.
Erdgeschichtlich stellte er eine Besonderheit dar. Einer alten Sage zufolge
hatte dort der Teufel einen Huf verloren. Aber nur noch wenige kannten die
Sage.
    Erich Jesper mied den Feldweg.
    Die Rawitzky hätte ihn gesehen.
    Er folgte der Straße, bis er außer
Sichtweite war. Dann holperte er am Waldrand entlang — über Stock und Stein.
Aber sein Moped, ein teures, hielt das aus.
    An der Flanke des Teufelsbergs wuchsen
Büsche, standen Bauminseln. Er war geschützt vor Beobachtung, als er zum
Eingang des Teufelstunnels fuhr.
    Einmal hielt er an und spähte durch die
Sträucher. Eine Strecke von etwa anderthalb Kilometern lag zwischen ihm und der
Landstraße. Freies Feld. Er sah den roten Klecks unter den Chausseebäumen: der
Wagen der Fotografin. Von ihr bemerkte er nichts. Saß sie im Fahrzeug? Oder
turnte sie im Gelände herum?
    Daß
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