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Anschlag auf den Silberpfeil

Anschlag auf den Silberpfeil

Titel: Anschlag auf den Silberpfeil
Autoren: Stefan Wolf
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klang nach hundert hysterischen
Fahrgästen. Aber hier, im hinteren Wagen, befand sich nur ein Dutzend.
    Tim richtete sich auf. Auf dem schiefen
Boden fand er kaum Halt.
    Er fühlte sich unverletzt. Ein
Zugunglück! dachte er. Sind die Schienen verbogen? Ist der Tunnel eingestürzt?
Oder ist das ein Anschlag auf die Bundesbahn?
    Er stolperte über was Weiches.
    Als er sich bückte, ging das Licht an.
Es funzelte wie Notbeleuchtung, reichte aber, um sich zurechtzufinden. Ein
technischer Defekt? Einerlei!
    Vor ihm lag Barbara. Bewußtlos!
    Ihr Kopf pendelte, als er sie hochzog.
Er schob die Arme unter sie und hob sie auf. Sie blutete aus einer Rißwunde
unter dem Auge. Die Lider zuckten.
    Er sah nach Christine. Eben rappelte
sie sich von der Bank hoch. Ein leichenblasses Gesicht wandte sich ihm zu.
    „Um... Gottes willen!“
    Er verstand sie — trotz des Gebrülls
ringsum.
    „Sind Sie in Ordnung?“ schrie er.
    „Ich glaube, ja. Barbara ist auf mich
geflogen.“
    „Erstmal raus!“
    In Schräglage und mit dem Mädchen auf
den Armen war das kaum zu bewältigen. Irgendwie arbeitete er sich nach hinten
durch. Andere waren vor ihm dort.
    Die Wagentür war aufgesprungen. Als
vorletzter kam er an, gepufft und gestoßen von einigen Typen, denen es nicht
schnell genug ging. Sie benahmen sich, als wäre der Triebwagen ein sinkendes
Schiff — und sie waren die Ratten.
    Tim kletterte hinaus, stolperte und
konnte gerade noch verhindern, daß Barbara mit dem Kopf an die Tunnelwand
stieß.
    Christine, die noch hinter ihm kam,
fiel ihm ins Kreuz.
    Sie duckten sich durch den Spalt, den
der gekippte Wagen mit der Tunnelwand bildete. Dann waren es nur noch drei,
vier Schritte bis unter freien Himmel.
    Dort standen die Fahrgäste — alles
Männer — und glotzten. Einige bluteten im Gesicht.
    Ein dicker Bursche hielt sich mit einer
Hand den Bauch, die andere hielt er vor den rückwärtigen Teil seiner Cordhose.
Mit erschreckter Miene sah er sich nach einem Busch um, hinter dem er
verschwinden konnte.
    Tim legte Barbara auf gut gepolsterten
Boden, auf eine Matte welker Vorjahresgräser.
    Er fühlte ihren Puls. Kräftig! In
diesem Moment öffnete sie die Augen. Sofort wollte sie sich aufrichten, während
Schrecken über ihr Gesicht zuckte.
    „Bleib liegen, Barbara. Erst ausruhen!
Du hast dich an der Rübe gestoßen, bist einen Moment weggetreten. Tut was weh?“
    „Mein Kopf. Aber nicht sehr. Was ist
denn?“
    „Unseren Vorstadt-Expreß hat’s aus den
Schienen gehauen. Ich weiß noch nicht, weshalb. Glaube kaum, daß der Fahrer
Mist gebaut hat. Zu scharf ist er jedenfalls nicht in die Kurve gegangen.“
    Fahrgäste vom ersten Wagen quollen noch
immer aus dem Tunnel, teils hinkend, teils stöhnend. Nitschl war dabei.
    Jetzt erschien auch der Schaffner. Er
hatte seine Mütze verloren und preßte seitlich eine Hand an den Kopf. Hinter
ihm taumelte der Triebwagenführer, ein hagerer Mann, ins Freie. Nach ein paar
Schritten setzte er sich auf den Boden und begann, seinen Brustkorb abzutasten.
    Fragen prasselten wie ein Hagelschauer
auf die beiden Bundesbahner.
    „Steine... riesige Steine... liegen auf
den Schienen“, stammelte der Wagenführer. „Ich sah sie erst in der letzten
Sekunde. Da war’s zu spät. Habe noch... ja, ich habe noch gebremst... Aber...
Oh! Mich hat’s vom Sitz geschleudert, daß ich dachte, jetzt ist es aus.“
    „Bist du verletzt, Paul?“ fragte einer,
der ihn offenbar kannte.
    „Weiß nicht. Mir tut alles weh. Heh,
Willi!“
    Der Schaffner war mehrmals im Kreis
rumgerannt — völlig verstört. Jetzt lief er in den Tunnel zurück.
    Über die Schulter rief er: „Wir
blockieren die Strecke, Paul. Die Meldung muß durch.“
    Also ein Anschlag! dachte Tim. Ein heimtückischer,
hinterlistiger Anschlag auf die Bundesbahn. Tote hätte es geben können. Ich
fasse es nicht. Wo sind die Verbrecher? Noch in der Nähe?
    Christine hatte sich neben Barbara
gesetzt und kümmerte sich um sie. Das Mädchen war sehr blaß. Kaum genesen von
der Gehirnerschütterung, mußte jetzt das passieren!
    Sie war wirklich zu bedauern, fand Tim,
während er über die Landschaft blickte.
    „Was... machen die jetzt?“ fragte
Christine.
    Sie meinte die Bundesbahner. Der
Triebwagenführer hatte sich hochgerappelt. Zum Glück war keine Rippe gebrochen.
Also besann er sich heldenmütig auf den nächsten Teil seiner Pflicht.
    „Diese Strecke“, erklärte Tim, „hat
Zugbahnfunk. Alle Hauptstrecken haben ihn. Nur wenn’s nach
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